Fremd fischen
war ihre Beziehung turbulent. Ich wusste immer schon, dass Darcy sich gern mit ihren Freunden stritt.
Es machte ihr keinen Spaß, wenn nicht alles hochdramatisch war. Aber ich sah Dex als den rationalen, kühlen Typen, der über solchen Zankereien stand. Und bei anderen Frauen war er vielleicht auch so gewesen, aber Darcy sog ihn hinein in ihre Welt voller Chaos und wilder Emotionen. Fand sie eine Telefonnummer in seinem Uni-Notizblock (sie machte kein Hehl daraus, dass sie herumschnüffelte), stellte sie die nötigen Nachforschungen an, fand heraus, dass es die Nummer einer Exfreundin war, und sprach nicht mehr mit ihm. Eines Tages kam er mit belämmertem Gesicht ins Seminar über Schadenersatzrecht und hatte eine Platzwunde an der Stirn, dicht über dem linken Auge. Darcy hatte ihm in einem Eifersuchtsanfall einen Drahtkleiderbügel an den Kopf geschleudert.
Und es funktionierte auch andersherum. Wir gingen alle zusammen aus, und Darcy machte sich an einen Typen an der Bar heran. Dann sah ich, wie Dex verstohlen beiläufige Blicke zu den beiden hinüberwarf, bis er es nicht mehr aushielt. Schließlich ging er sie holen – wütend, aber gefasst –, und ich hörte, wie sie ihren Flirt mit irgendeiner entfernten Verbindung rechtfertigte:« Ich meine, wir haben doch bloß über unsere Brüder gesprochen, und dass sie in derselben blöden Verbindung sind. Herrgott, Dex! Da brauchst du doch nicht so übertrieben zu reagieren!»Aber irgendwann stabilisierte sich die Beziehung, ihre Streitereien wurden weniger heftig und weniger häufig, und sie zog zu ihm in seine Wohnung. Und dann, im letzten Winter, machte Dex ihr einen Heiratsantrag. Sie entschieden sich für ein Wochenende im September, und ich sollte ihre Ehrenjungfer sein.
Ich kannte ihn zuerst , denke ich nun.
Als Verteidigungsargument ist das auch nicht besser als der Ethan-Vorfall, aber ich halte mich für einen Augenblick daran fest. Ich stelle mir meine mitfühlende Geschworene vor, wie sie sich vorbeugt und diese Enthüllung aufnimmt. Sie bringt die Sache sogar in der Beratung zur Sprache. Wenn Rachel nicht wäre, hätten Dex und Darcy sich nie kennen gelernt. In gewisser Weise hat Rachel es also verdient, wenigstens einmal mit ihm zusammen zu sein! Die anderen Geschworenen starren sie fassungslos an, und das Chanel-Kostüm sagt, sie solle nicht albern sein und das habe nichts damit zu tun. Tatsächlich würde eher andersherum ein Schuh draus, sagt sie. Rachel hatte ihre Chance, sich Dex zu angeln – aber diese Zeit ist längst um. Und jetzt ist sie die Ehrenjungfer. Die Ehrenjungfer! Größer kann ein Verrat nicht sein!
Ich arbeite lange an diesem Abend und zögere meinen Anruf bei Dex hinaus. Ich überlege sogar, ob ich es für heute nicht überhaupt lassen und lieber bis morgen früh warten soll, oder bis Mitte der Woche … oder soll ich gar nicht anrufen? Aber je länger ich warte, desto peinlicher wird es werden, wenn ich Dex wiedersehe – was unausweichlich ist. Also zwinge ich mich, mich hinzusetzen und seine Nummer zu wählen. Hoffentlich erwische ich die Voicemail.
Es ist halb elf. Wenn ich nur ein bisschen Glück habe, ist Dex schon nach Hause gegangen, zu Darcy.
« Dex Thaler», höre ich ihn sagen. Sein Ton ist gesch äftsmäßig. Er ist wieder bei Goldman Sachs; klugerweise hat er die Bank der Anwaltskanzlei vorgezogen. Die Arbeit ist interessanter, und er verdient viel besser.
« Rachel!»Er scheint sich aufrichtig zu freuen, auch wenn er etwas nervös klingt, ein bisschen zu laut.« Danke, dass du anrufst. Ich dachte schon, ich höre nichts mehr von dir.»
« Ich wollte dich schon anrufen. Ich war bloß … ich hatte wirklich viel zu tun … ein Wahnsinnstag», stammle ich. Mein Mund ist pulvertrocken.
« Ja … hier war es auch wie im Irrenhaus. Ein typischer Montag.»Jetzt klingt er ein bisschen entspannter.
« Ja …»
Eine verlegene Pause – jedenfalls bin ich verlegen.
Erwartet er etwa, dass ich von DEM ZWISCHENFALL anfange?
« Und? Wie geht’s?»Seine Stimme wird leiser.
« Wie’s mir geht?»Mein Gesicht glüht, die Schweißtropfen rinnen in Strömen über meine Rippen, und ich kann nicht ausschließen, dass ich gleich das Sushi hervorwürge, das ich zum Abendessen hatte.
« Ich meine – was sagst du zum Samstag?»Seine Stimme ist noch leiser; er flüstert fast. Vielleicht ist er diskret und will nicht, dass jemand im Büro ihn hören kann, aber diese leise Stimme kommt als intime Geste an.
« Ich weiß nicht,
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