Fremd fischen
Mangel gedreht worden war, kreuzte Joey miserabel gelaunt bei mir auf. Wir fingen an, uns über alles und nichts zu streiten. Erst waren es nur Kleinigkeiten: Er behauptete, ich schnarchte und machte mich im Bett zu breit (wie kann man sich in einem Einzelbett nicht breit machen?), und ich beschwerte mich, dass er dauernd unsere Zahnbürsten durcheinander brächte ( wer tut so was schon?). Die Streitereien eskalierten, die Themen wurden bedeutsamer. Und es gab kein Zurück mehr, als er mich eine langweilige Intellektuelle nannte und ich darauf zurückgab, er sei ein schamloser Trittbrettfahrer, der sich tatsächlich einbildete, er trage mit seinem blau angemalten Gesicht irgendwas zu Dukes Erfolgen bei. Daraufhin erklärte er, ich solle mal zu mir kommen und ein bisschen Stolz auf meine Schule entwickeln, und dann stürmte er hinaus.
Am nächsten Tag erschien er mit ernster Miene und einer vorbereiteten Rede, die mit«Wir müssen uns unterhalten »begann und mit«Wir werden uns immer nah sein»endete. Ich war mehr verdattert als traurig,
aber ich stimmte mit ihm darin überein, dass wir vielleicht noch ein paar andere College-Erfahrungen sammeln sollten, was in Wirklichkeit nur hieß, wir sollten Dates mit anderen Leuten haben. Dann sagten wir noch, dass wir immer gute Freunde bleiben würden, aber ich wusste, dass wir dazu nicht genug miteinander gemeinsam hatten.
Ich vergoss keine Träne, bis ich ihn auf einer Party Händchen haltend mit Betsy Wingate sah, die auch bei uns im Wohnheim gewohnt hatte. Dabei wollte ich seine Hand gar nicht halten, und deshalb wusste ich, dass meine Reaktion eher eine Mischung aus Nostalgie und verletztem Stolz war. Und vielleicht bereute ich auch, dass ich nicht bei Hunter geblieben war, aber den hatte sich längst eine andere scharfsichtige Kommilitonin geschnappt.
In einem seltenen Fall von Rollenumkehr rief ich Darcy an, um mich von einem Beziehungsprofi trösten zu lassen. Sie riet mir, nicht zurückzuschauen; ich hätte ein paar gute, ausgelassene College-Erinnerungen mit Joey, wie ich sie mit Hunter nie hätte haben können – der hätte mich sozial gesehen nur heruntergezogen.« Außerdem», sagte sie dann mit ernsthafter Stimme,« hat Joey dir die Grundlagen des vorhersehbaren Sex in Missionarsstellung beigebracht. Das ist doch auch was wert, oder?»Das war ihre Vorstellung von aufmunternden Worten. Wahrscheinlich hat es auch ein bisschen geholfen.
Ich hoffte immer, dass Hunter und seine Freundin Schluss machen würden, aber das passierte nicht. Auf Duke war ich dann mit niemandem mehr zusammen, und die meiste Zeit während des Jurastudiums auch nicht. Die lange Dürre endete schließlich, als Nate Menke kam.
Ich lernte Nate im ersten Jahr an der Uni auf einer Party kennen, aber in den folgenden drei Jahren sprachen wir kaum miteinander und grüßten uns nur im Vorübergehen. Dann saßen wir zusammen in demselben kleinen Seminar – Das ermächtigte Ich: Recht und Gesellschaft im Zeitalter des Individualismus . Nate meldete sich oft zu Wort, aber nicht bloß, um sich selbst reden zu hören, wie es die meisten Leute im Jurastudium taten. Er hatte tatsächlich etwas zu sagen. Und nachdem ich eines Tages eine vernünftige Bemerkung gemacht hatte, fragte er mich, ob ich nicht eine Tasse Kaffee mit ihm trinken und weiter darüber diskutieren wolle. Er bestellte sich den Kaffee schwarz und stark, und ich weiß noch, dass ich es ihm nachmachte, weil es mir kultivierter vorkam, als Milch und Zucker in meine Tasse zu kippen. Nach dem Kaffee spazierten wir eine ganze Weile durch das Village und gingen in CD-Geschäfte und Second-Hand-Buchläden. Danach gingen wir zusammen essen, und am Ende des Abends war klar, dass wir ein Paar werden würden.
Ich war entzückt, wieder einen Freund zu haben, und bald war ich bezaubert von fast allem an Nate. Sein Gesicht gefiel mir zum Beispiel. Er hatte coole Augen, die ein bisschen schräg waren, sodass er asiatisch ausgesehen hätte, wenn seine helle Hautfarbe nicht gewesen wäre. Mir gefiel auch seine Persönlichkeit. Er war sanft und freundlich, aber willensstark, und er war auf eine trotzige, zornige Art politisch aktiv. Es war nicht leicht, alle seine Anliegen im Auge zu behalten, aber ich bemühte mich und redete mir sogar ein, dass ich sie teilte. Verglichen mit Joey, der Leidenschaft nur für ein Basketball-Team aufbringen konnte, kam Nate mir sehr wirklichkeitsverbunden vor. Und auch im Bett war
er sehr leidenschaftlich. Er hatte vor
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