Fremd fischen
anscheinend niemand Lust, sich in eine Auseinandersetzung
verwickeln zu lassen, die sie unter sich ausmachen sollten. Alle zucken die Achseln oder schauen weg.
Aber es stimmt, Dex war wirklich ein bisschen gedämpft. Ob ich etwas mit seiner Stimmung zu tun habe? Vielleicht hat es ihm etwas ausgemacht, mich mit Marcus zu beobachten. Keine ausgewachsene Eifersucht, nur eben dieses Zwicken des Revierinstinkts, wie ich es auch gespürt habe. Vielleicht denkt er auch nur über Darcy nach und sieht sie als die herrschsüchtige Person, die sie ist. Mir waren Darcys Ansprüche immer bewusst – man kann ihnen kaum entgehen –, aber in letzter Zeit bin ich ihr gegenüber weniger tolerant. Ich habe keine Lust mehr, ihr dauernd ihren Willen zu lassen. Vielleicht geht es Dex genauso.
« Was gibt’s zum Frühstück?», fragt Marcus mit lautem Gähnen.
Claire wirft einen Blick auf ihre diamantenbesetzte Cartier.«Du meinst, zum Brunch.»
« Egal. Zum Essen», sagt Marcus.
Wir erörtern unsere Möglichkeiten und beschließen, uns den Trubel von East Hampton zu ersparen. Hillary sagt, die Grundnahrungsmittel habe sie gestern gekauft.
« Mit Grundnahrungsmittel meinst du Schokoladenkeks?», fragt Marcus.
« Hier.»Hillary stellt Schalen, Löffel und eine Schachtel Smacks auf den Tisch.«Guten Appetit.»
Marcus macht die Schachtel auf und schüttet sich Smacks in seine Schale. Dann schaut er mich über den Tisch hinweg an.«Du auch?»
Ich nicke, und er macht mir ein Schälchen fertig. Er fragt sonst niemanden, sondern schiebt die Schachtel für alle erreichbar auf den Tisch.
« Banane?», fragt er mich.
« Ja bitte.»
Er schält eine Banane und schneidet sie in seine und in meine Schüssel, immer abwechselnd, ein paar Scheibchen hier, ein paar Scheibchen da. Die angedrückten Stücke nimmt er für sich. Wir teilen uns eine Banane. Das bedeutet etwas. Dexters Blick huscht zu mir herüber, als Marcus die letzte säuberliche Scheibe in meine Schüssel schnippt und das fiese Endstück in der Schale lässt, wo es hingehört.
Ein paar Stunden später sind wir endlich so weit, dass wir an den Strand gehen können. Claire und Darcy kommen mit topmodischen Segeltuchtaschen aus ihren Zimmern, bis zum Rand voll gestopft mit plüschigen neuen Strandlaken, Illustrierten, Körperlotionen, Thermosflaschen, Handys und Make-up. Hillary nimmt nur ein kleines Badetuch und ein Frisbee mit. Ich bin irgendwo dazwischen mit meinem Badetuch, meinem Discman und einer Flasche Wasser. Wir gehen zu sechst nebeneinander, und unsere Flipflops klatschen mit einem zufrieden stellenden Sommergeräusch auf den Asphalt. Claire und Hillary gehen außen und flankieren das Hauspaar und das potenzielle künftige Paar. Wir überqueren den Strandparkplatz, klettern über die Düne und bleiben dann einen Moment lang stehen, um einen ersten gemeinsamen Blick auf das Meer zu erhaschen. Ich bin froh, dass ich nicht mehr im landumschlossenen Indiana wohne, wo die Leute den Lake Michigan meinen, wenn sie«der Strand»sagen. Der Ausblick ist großartig. Fast lässt er mich vergessen, dass ich mit Dex geschlafen habe.
Dex geht vor uns her zum bevölkerten Strand hinunter und findet ein Fleckchen auf halbem Weg zwischen
Dünen und Wasser, wo der Sand noch weich ist, aber glatt genug, um die Badelaken drauf auszubreiten. Marcus legt sein Handtuch neben meins. Darcy ist auf meiner anderen Seite, und Dex ist neben ihr. Hillary und Claire lassen sich vor uns nieder. Die Sonne scheint, aber es ist nicht zu heiß. Claire warnt uns alle vor den UV-Strahlen, in diesen Tagen müsse man wirklich vorsichtig sein, sagt sie.«Man kann schwere Verbrennungen davontragen, ohne es auch nur zu merken, bis es zu spät ist», sagt sie.
Marcus will mir den Rücken mit Sonnenmilch einreiben.
« Nein danke», sage ich, aber als ich mich verrenke, um die Mitte meines Rückens zu erreichen, nimmt er mir die Flasche ab und trägt die Sonnenmilch auf, und mit peinlicher Sorgfalt manövriert er um die Ränder meines Badeanzugs herum.
« Mir auch, Dex», sagt Darcy fröhlich, und sie streift ihre weißen Shorts ab und hockt sich in ihrem schwarzen Bikini vor Dex hin.«Hier. Nimm das Kokosnussöl, bitte.»
Claire beklagt den mangelhaften Sonnenschutzfaktor des Öls; wir seien zu alt, um dauerhaft gebräunt zu sein, und Darcy werde es noch bereuen, wenn die ersten Falten kämen. Darcy verdreht die Augen und sagt, Falten seien ihr egal, sie lebe im Augenblick. Ich weiß, dass sie mir später
Weitere Kostenlose Bücher