Fremd fischen
Gemeinschaftsräume eigentlich nicht groß genug für gute Partys sind. Wir versichern ihr, dass der große Garten mit Grill uns dafür entschädigt. Außerdem ist der Strand so nah, dass man zu Fuß hingehen kann, meiner Meinung nach das Wichtigste an einem Sommerhaus.
Wir laden unser Gepäck aus und suchen unsere Zimmer. Darcy und Dex haben das mit dem Kingsize-Bett. Marcus hat ein Zimmer für sich – was praktisch sein könnte. Und Claire hat auch ein eigenes Zimmer, zum Lohn für ihre Bemühungen. Ich teile meines mit Hillary, die sich heute freigenommen hat und schon gestern mit dem Zug hierher gefahren ist. Hillary nimmt sich dauernd frei. Ich kenne niemanden, der den Job so locker nimmt wie sie, speziell in einer großen Firma. Sie kommt jeden Tag zu spät zur Arbeit – mit jedem Jahr rückt sie ein Stückchen näher an elf Uhr heran –, und sie verweigert die Spielchen der anderen Angestellten, die eine Jacke auf der Stuhllehne hängen lassen oder einen vollen Becher Kaffee auf den Schreibtisch stellen, wenn sie abends nach Hause gehen, damit die Chefs glauben, sie machten nur kurz Pause. Sie hat im letzten Jahr weniger als zweitausend Stunden berechnet und deshalb keinen Bonus bekommen.«Du brauchst nur
zu rechnen, dann siehst du, dass du pro Stunde weniger Bonus rauskriegst, als wenn du Burger bei McDonald’s wendest», sagte sie, als dieses Jahr die Bonusschecks verteilt wurden.
Jetzt rufe ich sie auf dem Handy an.«Wo bist du?»
« Im ‹Cyril’s›», schreit sie durch ein Stimmengewirr.« Soll ich hier bleiben, oder treffen wir uns woanders?»
Ich gebe die Frage an Darcy und Claire weiter.
« Sag ihr, wir gehen direkt ins ‹Talkhouse›», antwortet Darcy.«Es ist schon spät.»
Wie ich es erwartet habe, bestehen Claire und Darcy darauf, sich umzuziehen. Und Marcus, der immer noch Bürokleidung anhat, geht sich auch umziehen. Dex und ich sitzen einander im Wohnzimmer gegenüber und warten. Er hat die Fernbedienung in der Hand, aber er schaltet den Fernseher nicht ein. Es ist das erste Mal seit DEM ZWISCHENFALL, dass wir miteinander allein sind. Mir ist bewusst, dass ich unter den Achseln zu schwitzen anfange. Warum bin ich nervös? Was passiert ist, liegt hinter uns. Es ist vorbei. Ich muss mich entspannen, mich normal benehmen.
« Willst du dich nicht für deinen Freund aufbrezeln?», fragt Dex leise und ohne mich anzusehen.
« Sehr komisch.»Der bloße Austausch von Worten kommt mir unrechtmäßig vor.
« Wirklich nicht?»
« Das hier ist ganz okay», sage ich und werfe einen Blick auf meine Lieblingsjeans und das schwarze Stricktop. Er weiß nicht, dass ich beim Umziehen nach der Arbeit schon sehr viel Überlegung in dieses Outfit gesteckt habe.
« Ihr seid ein klasse Paar, du und Marcus.»Er wirft einen verstohlenen Blick zur Treppe.
« Danke. Du und Darcy auch.»
Wir wechseln einen zögernden Blick, so sehr befrachtet mit potenzieller Bedeutung, dass ich nicht mal anfange, ihn zu interpretieren. Und bevor er antworten kann, kommt Darcy in einem kurvenbetonenden, chartreusefarbenen Futteralkleid die Treppe heruntergehüpft. Sie gibt Dex eine Schere, hockt sich zu seinen Füßen nieder und hebt ihr Haar im Nacken hoch.« Kannst du bitte das Etikett abschneiden?»
Er tut es. Sie steht auf und dreht sich.
« Na? Wie sehe ich aus?»
« Hübsch», sagt er und wirft mir einen betretenen Blick zu, als könne dieses einsilbige Kompliment an seine Verlobte mich irgendwie aus der Fassung bringen.
« Du siehst sagenhaft aus», sage ich, um ihm zu zeigen, dass es das nicht tut. Nicht im Geringsten.
Wir zahlen das Gedeck und schieben uns dann durch das Gedränge in«Stephen’s Talkhouse», unserer Lieblingsbar in Amagansett, um all den Leuten Hallo zu sagen, die wir aus diversen Kreisen in der Stadt kennen. Hillary klebt an der Bar mit einem Budweiser; sie trägt abgeschnittene Jeans, ein weißes T-Shirt und schlichte blaue Flipflops, in denen Darcy und Claire allenfalls zur Pediküre gehen würden. An Hillary ist nichts Prätentiöses, und wie immer freue ich mich, sie zu sehen.
« Hey, ihr!», ruft sie.«Wieso habt ihr so lange gebraucht? »
« Der Verkehr war grauenvoll», sagt Dex.«Und gewisse Leute mussten sich noch zurechtmachen.»
« Aber selbstverständlich mussten wir uns zurechtmachen!», sagt Darcy und schaut bewundernd an ihrem Outfit herunter.
Hillary findet, dass der Abend einen Kickstart braucht, und bestellt eine Runde Kurze. Sie verteilt sie, und wir stellen uns
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