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Fremd fischen

Fremd fischen

Titel: Fremd fischen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emily Giffin
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keine Anfängerin, du Arsch. Deshalb
hat deine Tirade auch überhaupt keine Wirkung. Na los, schmeiß mich raus. Wen kümmert’s? Ich denke an meine Anfangszeit in der Firma. Da brauchte ein Chef nur die Brauen hochzuziehen, und schon bin ich mit Tränen in den Augen in mein Büro gerannt, in panischer Angst um meinen Job oder wenigstens um meine Jahresbewertung. Im Laufe der Jahre habe ich ein dickeres Fell bekommen, und in diesem Augenblick ist mir das alles völlig egal. Ich habe größere Probleme als diese Firma oder meine Karriere als Anwältin. Nein, das Wort«Karriere»streiche ich. Die Karriere ist etwas für Leute, die vorankommen möchten. Ich will bloß überleben und ein Gehalt kassieren. Das hier ist ein Job. Ich kann ihn behalten oder ihn aufgeben. Ich fange an, mir vorzustellen, dass ich kündige und einer noch zu bestimmenden Leidenschaft nachgehe. Ich könnte mir dann sagen, dass ich zwar keine ausgefüllte, intensive Beziehung habe, aber doch wenigstens meine Arbeit.
    Ich rufe den Anwalt der Gegenseite an, einen vernünftigen Mittvierziger mit einem kleinen Sprachfehler, den seine Firma bei der Beförderung zum Partner übergangen haben muss. Ich sage ihm, dass unsere Unterlagen nicht korrekt zugestellt worden sind, dass ich sie noch einmal durch Boten zustellen werde, aber dass sie jetzt einen Tag zu spät kommen. Er unterbricht mich mit einem freundlichen Glucksen und antwortet lispelnd, das sei kein Problem, und selbstverst ändlich werde er deshalb die Zustellung nicht anfechten. Ich wette, er hasst seinen Job genauso sehr wie ich. Wenn er es nicht täte, würde er meinen Fehler gnadenlos ausschlachten. Für Les wäre es jederzeit ein gefundenes Fressen, wenn die Gegenseite einen Tag zu spät zustellte.

    Ich schicke eine E-Mail an Les, nur einen kurzen Satz:«Gegenseite ist einverstanden, dass die Unterlagen heute durch Boten zugestellt werden.»Das hat er jetzt davon. Ich kann genauso knapp und unfreundlich sein wie jeder andere.
    Gegen halb zwei, als ich den Schriftsatz noch einmal ausgedruckt und dem Kurier übergeben habe, kommt Hillary in mein Zimmer und fragt, ob ich Lunchpläne habe.
    « Nein. Möchtest du jetzt gehen?»
    « Ja. Können wir in irgendein nettes Lokal gehen? Was Richtiges essen? Steak oder italienisch?»
    Ich lächle, nicke und angle meine Handtasche unter dem Tisch hervor. Hillary könnte jeden Tag ein mächtiges Mittagessen verputzen, aber ich werde dann nachmittags zu schläfrig. Einmal, als ich ein heißes Truthahn-Sandwich mit Stampfkartoffeln und grünen Bohnen bestellt hatte, musste ich anschließend tatsächlich mit der U-Bahn nach Hause fahren, um ein Mittagsschl äfchen zu halten. Als ich zurückkam, hatte ich sechs Voicemail-Nachrichten, darunter eine Tirade von Les. Das war mein letzter Mittagsschlaf – es sei denn, man zählt mit, dass ich manchmal den Stuhl dem Fenster zukehre und ein Blatt Papier auf dem Schoß balanciere. Das ist eine narrensichere Technik – wenn jemand hereingeplatzt kommt, sieht es aus, als ob ich lese.
    Ich schlinge mir gerade die Tasche über die Schulter, als Kenny, unser Hausbote aus dem Postzimmer, durch die halb offene Tür hereinspäht.
    « Hey, Kenny, komm rein.»
    « Ra-chelle.»Er spricht meinen Namen französisch aus.«Die sind für dich.»Grinsend präsentiert er eine Glasvase mit roten Rosen. Mit einer Menge Rosen.
Mehr als ein Dutzend. Eher zwei Dutzend, auch wenn ich sie nicht zähle. Noch nicht.
    « Heilige Scheiße!»Hillary macht große Augen. Ich sehe, dass sie sich mächtig zusammenreißen muss, um nicht nach der Karte zu grapschen.
    « Wo soll ich sie hinstellen?», fragt Kenny.
    Ich mache eine Stelle auf meinem Schreibtisch frei.« Hier ist okay.»
    Kenny schüttelt mit einer übertriebenen Geste die Handgelenke aus, um zu demonstrieren, wie schwer die Vase war, und pfeift durch die Zähne.«Wow, Rachel. Da steht jemand auf dich.»
    Ich winke ab, aber es ist nicht zu leugnen, dass diese Rosen nur von einem Mann mit romantischen Gefühlen kommen können. Wenn es keine rote Rosen wären, hätte ich irgendeinen familiären Anlass vorschützen können. Hätte ihnen erzählen können, heute sei ein besonderer Tag für mich – oder meine Eltern hätten von meinem Zustellungsfehler erfahren und wollten mich trösten. Aber das sind nicht einfach Rosen, es sind rote Rosen. Und zwar eine Unmenge. Keinesfalls von meiner Familie.
    Bevor Kenny geht, gibt er noch einen Kommentar über die Mörderkohle ab, die da jemand für

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