Fremd fischen
diese Rosen ausgegeben hat. Ich will gleich nach ihm gehen, aber es kommt nicht infrage, dass wir irgendwo hingehen, bevor Hillary umfassend informiert ist.
« Von wem sind die?»
Ich zucke die Achseln.«Keine Ahnung.»
« Willst du die Karte nicht lesen?»
Ich habe Angst, die Karte zu lesen. Die Rosen müssen von Dex sein – und was ist, wenn er unterschrieben hat? Das ist mir zu riskant.
« Ich weiß, von wem sie sind», sage ich.
« Von wem?»
« Von Marcus.»Er kommt ansonsten als Einziger infrage.
« Von Marcus? Ihr habt dieses Wochenende kaum miteinander gesprochen. Was läuft da? Verschweigst du mir was? Verschweig mir lieber nichts!»Sie hat den Vernehmungsmodus eingeschaltet. Auch wenn sie die Firma hasst – sie ist eine gnadenlose Prozessanwältin.
Ich weiß, dass ich nicht drum herumkomme, die Karte zu lesen. Außerdem drehe ich selbst durch, wenn ich nicht erfahre, was draufsteht. Ich zupfe den weißen Umschlag von der Plastikgabel in der Vase und öffne ihn ganz langsam, während meine Gedanken sich überschlagen, um irgendeine Geschichte über Marcus zu erfinden. Ich lasse die Karte aus dem Umschlag gleiten und lese die beiden Sätze im Stillen. Es tut mir so Leid. Ich muss dich heute Abend sehen, bitte. Es ist Dexters eigene Blockbuchstabenhandschrift, und das bedeutet, dass er selbst im Blumenladen gewesen ist.
Noch besser.
Unterschrieben hat er nicht; wahrscheinlich hat er ein Szenario wie das hier vorausgesehen. Mein Herz schlägt bis zum Hals, aber ich bemühe mich, vor Hillary ein breites Grinsen zu unterdrücken. Die Rosen lassen mir Schauer über den Rücken laufen. Der Brief noch mehr. Ich weiß, dass ich ihm seine Bitte nicht abschlagen werde. Ich werde mich heute Abend mit ihm treffen, obwohl ich mehr denn je Angst habe, verletzt zu werden. Ich fahre mir mit der Zunge über die Lippen und zeige mich gefasst.«Ja, sie sind von Marcus», sage ich.
Hillary starrt mich an.«Zeig her.»Sie grapscht nach der Karte.
Ich reiße sie weg und stecke sie in meine Handtasche.« Da steht nur, dass er an mich denkt.»
Sie streicht sich das Haar hinter die Ohren und fragt argwöhnisch:«Habt ihr mehr als ein Date gehabt? Erzähl mir die ganze Geschichte.»
Seufzend gehe ich auf den Flur hinaus, fest entschlossen, den armen Marcus über die Klinge springen zu lassen.«Okay, wir hatten letzte Woche ein Date, von dem ich dir nichts erzählt hab», fange ich an, während wir zum Aufzug gehen.«Und, äh, er hat gesagt, dass seine Gefühle für mich stärker werden … »
« Das hat er gesagt?»
« So was Ähnliches. Ja.»
Das muss sie erst verdauen.«Und was hast du darauf gesagt?»
« Ich hab gesagt, ich weiß nicht genau, was ich für ihn empfinde, und … äh … dass wir am Wochenende den Ball lieber flach halten sollen.»
Frieda aus der Buchhaltung kommt hinter uns in den Aufzug geflitzt. Ich hoffe, dass Hillary ihre Vernehmung aussetzt, bis wir draußen sind – aber nein, sie macht weiter, als die Tür sich schließt.«Habt ihr was miteinander angefangen?»
Ich nicke, damit Frieda, die uns den Rücken zugewandt hat, nicht zu viel von meinen Angelegenheiten mitbekommt. Ich hätte Nein gesagt, aber dann hätten die roten Rosen kaum eingeleuchtet.
« Aber ihr habt nicht miteinander geschlafen, oder?»Jetzt flüstert sie wenigstens.
« Nein», sage ich und bringe sie mit einem Blick zum Schweigen.
Die Aufzugtür geht auf, und Frieda wieselt davon.
« Und? Erzähl mir mehr», sagt Hillary.
« Das ist praktisch alles. Hör auf, Hill. Du bist ja unerbittlich! »
« Ja, wenn du mir von vornherein die ganze Geschichte erzählt hättest, wäre ich nicht unerbittlich.»Sie macht wieder ein vertrauensvolles Gesicht. Ich bin aus dem Schneider.
Auf dem kurzen Weg zur Second Avenue reden wir über andere Sachen. Aber als wir dann im«Palm Too»bei einem Steak sitzen, sagt sie:«Erinnerst du dich, wie du am Samstagabend das Bier fallen gelassen hast, als du mit Dex sprachst?»
« Wann?»Ich gerate in Panik.
« Du weißt schon – als ihr beide euch unterhalten habt und ich dazukam. Gegen Ende des Abends.»
« Ach so.»Ich gucke so unbeteiligt wie möglich.
« Was war da los? Warum war Dex dermaßen aus dem Häuschen?»
« Er war aus dem Häuschen? Ich erinnere mich gar nicht.»Ich schaue an die Decke und runzele die Stirn.« Ich glaube nicht, dass er aus dem Häuschen war. Warum fragst du?»
Wenn du in die Enge getrieben wirst, ist es immer eine gute Taktik, Fragen mit Gegenfragen zu
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