Fremd fischen
ungestört Make-up auflegen.
Dex holt mich um Viertel vor acht ab, und wir fahren mit dem Taxi in eins meiner Lieblingsrestaurants von Manhattan – ins«Balthazar» –, wo man normalerweise niemals einen Tisch bekommt, wenn man nicht eine Woche vorher anruft oder bereit ist, um sechs oder um halb zwölf zu essen. Wir sind um acht da und bekommen eine idealen Tisch in einer behaglichen Nische. Ich frage Dex, ob er weiß, dass Jerry Seinfeld seiner Frau Jessica Sklar im«Balthazar»seinen Heiratsantrag gemacht hat. Vielleicht hat Jerry sogar an unserem Tisch den Tiffany-Ring gezückt.
« Das war mir nicht bekannt.»Dex schaut von der Weinkarte hoch.
« Wusstest du, dass sie für Jerry ihren Ehemann abgeschoben hat, obwohl sie erst vier Monate verheiratet waren?»
Er lacht.«Ja, ich glaube, davon hab ich gehört.»
« Also ist das ‹Balthazar› wahrscheinlich das auserwählte Restaurant von Skandalnudeln.»
Er schüttelt den Kopf und lächelt genervt.«Bittenenn uns nicht so.»
« Sieh den Tatsachen in die Augen, Dexter. Was wir tun, ist skandalös. Wir sind genau wie Jerry und Jessica. »
« Aber wir können nichts für unsere Gefühle», sagt Dex ernst.
Ja. Vielleicht hat Jessica genau das Gleiche in ihr Handy geflüstert, während ihr ahnungsloser Ehemann sich nebenan vor dem Fernseher schlapp lachte.
Während ich die Speisekarte überfliege, wird mir klar, dass meine Ansicht über Jerry und Jessica womöglich im Begriff ist, sich zu ändern. Ich war immer der Meinung, er sei ein herzloser Ehezerstörer und sie eine schamlose Goldgräberin, die ihren Gatten eiskalt für ein reicheres, witzigeres Modell in Zahlung gegeben hat, sowie sich die Gelegenheit bot – was sie, wie ich gelesen habe, im Reebok Sports Club tat, einem Fitnesscenter an der Upper West Side, das auch Darcy besucht. Jetzt bin ich da nicht mehr so sicher. Vielleicht war es so. Aber vielleicht hat Jessica ihren Eric Nederlander geheiratet, weil sie ihn nach allen Maßstäben ihres bisherigen Lebens zu lieben glaubte. Dann ist sie Jerry begegnet, nur wenige Tage nach der Rückkehr aus ihren italienischen Flitterwochen, und plötzlich wurde ihr klar, dass sie bisher nie wirklich geliebt hatte und dass ihre Gefühle für Jerry alles übertrafen, was sie für Eric empfand.
Was sollte sie da tun? Die Ehe mit dem falschen Mann aufrechterhalten, um den Schein zu wahren? Jessica wusste, dass sie mit Dreck beworfen werden würde – nicht nur von Freunden, Verwandten und ihrem eigenen Mann, den sie bis ans Ende ihrer Tage zu ehren und zu lieben versprochen hatte (nicht bloß für 120 Tage), sondern von der ganzen Welt – zumindest von denjenigen unter uns, die wir unser eigenes Leben so langweilig finden, dass wir das neue People -Heft verschlingen, sowie es am Zeitungsstand erscheint. Trotzdem hat sie es durchgezogen, denn sie wusste, dass man nur einmal lebt. Sie hat sich in den Verkehr hinausgewagt und es wie der Frosch in meinem allerliebsten Videospiel geschafft, die Straße zu überqueren und wohlbehalten in das kleine Kästchen am oberen Bildschirmrand zu gelangen – besser gesagt, in eine Sechs-Millionen-Dollar-Hütte mit Blick auf den Central Park. Es hat Format und Mut erfordert, ihren Fehler einzugestehen. Und vielleicht verdient auch Jerry Anerkennung dafür, dass er den Zorn der Welt ignorierte und seinem Herzen folgte, koste es, was es wolle. Vielleicht hat einfach die wahre Liebe gesiegt.
Aber ganz unabhängig davon, was bei Jessica, Eric und Jerry wirklich passiert ist, verschieben sich meine Vorstellungen von den Regeln in der Liebe, die man befolgen soll.
« Und – weißt du schon, was du möchtest?», fragt Dex.
Ich lächele und sage, dass ich noch hören will, was es heute außer der Reihe gibt.
Nach dem Essen fragt Dex, ob ich noch etwas trinken gehen möchte.
« Möchtest du?»Ich will ihm gefällig sein und die richtige Antwort geben.
« Ich hab dich zuerst gefragt.»
« Ich würde lieber nach Hause gehen.»
« Gut. Ich auch.»
Die Wolkendecke ist etwas aufgerissen, und als wir bei mir an der Ecke aus dem Taxi steigen, sehen wir in der Ferne über dem East River Feuerwerk explodieren. Es leuchtet blau und rosa und golden über einer Stadt, die uns vorkommt, als gehöre sie uns allein. Hand in Hand schauen wir zum Himmel und sehen schweigend ein Weilchen zu. Dann gehen wir ins Haus und sagen José gute Nacht. Der glaubt inzwischen, dass Dexter mein Freund ist.
Wir fahren nach oben, ziehen uns aus und
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