Fremd flirten Roman
aussah und bestimmt jetzt schon, im zarten Alter von sieben Jahren, potenzielle Ehemänner im Club abcheckte. Mutter und Tochter trugen sogar denselben schreiend roten Nagellack, was ich normalerweise niedlich bei kleinen Mädchen fand. Aber Chantals Nägel hatten keine kindlich unschuldigen Kratzer, Macken oder abgesplitterte Ecken im unregelmäßig aufgetragenen Lack, was diesen Anblick sonst so liebenswert machte. Nein, Chantals Nägel waren perfekt lackiert, wenn mich nicht alles täuschte, sogar mit einem Überlack versehen, und ließen mich an die meiner Meinung nach perversen amerikanischen Schönheitswettbewerbe für Kinder denken.
Rolf, Sabines Mann und Financier, schien ganz glücklich und vor allem stolz auf seine beiden Frauen zu sein. Zumindest legte er beiden besitzergreifend die Hände um die Taille und riss einen Kalauer nach dem anderen, worauf beide synchron in ein albernes Gekicher ausbrachen. Erschreckend, wie Chantal (Sabine sprach den Namen schön rheinisch breit »Schantall« aus) bis ins Detail die Mimik und Gestik ihrer Mutter abgekupfert hatte. Und die Masche »Mann macht Witz, Frau lacht, dann ist Mann großzügig gestimmt und bezahlt alles« war ihr auch schon in Fleisch und Blut übergegangen. Rolf hingegen sah aus wie ein übrig gebliebener Popper aus den Achtzigern. Er trug bestimmt immer noch Burlington-Socken unter dem maßgeschneiderten Anzugund ließ sich monatlich eine Stützwelle für den etwas längeren Seitenscheitel verpassen.
Margit, die das Zepter fest in der Hand hielt, verschaffte sich Gehör und brachte endlich ihr Anliegen vor. »Wie ihr wisst, steht der erste Mai vor der Tür, und da es in England nicht unsere wunderschöne Tradition mit dem Tanz in den Mai und den Maibäumen gibt, sondern nur durchgeknallte Irre und Globalisierungsgegner, die aus aller Welt anreisen, um auf der Oxford Street Ladengeschäfte zu demolieren und lächerliche Demonstrationen aufzuführen, haben wir uns dazu entschlossen, für die Firma und Mitglieder des Clubs kurzfristig einen richtig schönen deutschen Tanz in den Mai zu organisieren – mit Waldmeisterbowle und allem, was dazugehört.«
So gut kannte ich Margit schon aus Annes Erzählungen, dass ich wusste, dass sie alles aus Berechnung machte So gab es bestimmt für diese Aktion auch einen guten Grund. Sie wollte für Heiko Punkte sammeln, damit der die ersehnte Abteilungsleiter-Position bekam, gut Wetter machen bei den Firmenbossen oder die Kontakte im Club intensivieren.
Unbeirrt sprach sie weiter, rhetorisch einwandfrei – die lange Zeit als Anwältin vor Gericht machte sich bezahlt –, und verteilte bereits Aufgaben und Zuständigkeiten im eben gegründeten Mai-Komitee, wobei sie ständig das Wort »task force« benutzte. Das klang so, als plante die Nasa, einen neuen Planeten anzufliegen, oder als stünde eine große Firmenfusion an und nicht ein Tanztee, der sich in ein paar Stunden nebenher organisieren ließ.
»Ich kümmere mich um die Gästeliste und den Club, alles andere besprechen wir dann nächste Woche in unserem get together !«, gab Margit affektiert von sich.
Diese Anglizismen gingen mir so was von auf den Nerv! Warum musste es »get together« heißen und nicht einfach»Zusammentreffen«? Wir glaubten ihr auch so, dass sie Abitur hatte und mit Messer und Gabel essen konnte.
Alkoholisiert, wie ich war, befürchtete ich, ausfallend zu werden, zumal Margit gar nicht daran dachte, mit ihren Planungen aufzuhören. Aber zum Glück rettete mich das englische Wetter vor einer Blamage, denn darauf war wieder einmal Verlass. Ohne dass man es vorher hatte kommen sehen, waren mit einem Schlag Wolken aufgezogen, und von einer Sekunde auf die andere schüttete es wie aus Kübeln. Der Regen zerstörte innerhalb kürzester Zeit die aufwendig aufgetürmten, eingedrehten und mit Diamantspangen fixierten Festfrisuren der Ladys und derer, die es gern wären. Meine langen Locken waren zum Glück, was Regen anging, nicht zu zerstören. Mit ein paar Griffen strich ich die nassen Haare nach hinten, und zusammen mit den langen Chandelier-Ohrringen sah mein Wetlook fast wie gewollt aus.
Was mir eher Sorge bereitete, war mein hellblaues Kleidchen, das durch den Sommerregen durchsichtig geworden war und vor allem am Dekolleté tiefen Einblick erlaubte, was zum Glück meine Schokoladenseite war. Um mich herum ging es einigen Damen nicht besser. Böse Zungen hätten behaupten können, dass es im feinen England auch nicht gesitteter zuging
Weitere Kostenlose Bücher