Fremd flirten Roman
schrecklich öden Menschen! Ich möchte mich amüsieren!«
Edward hatte sich wieder gefangen und ließ sich nichts anmerken. Bestimmt hatten Engländer diese Nonchalance im Blut, und die jahrelange Privatschulerziehung tat ihr Übriges. Aber ich als gesellschaftlich ungeeichte Frau stand völlig verdattert da und hatte tausend Fragen.
Was machte der Hungerhaken hier? Wieso sprach sie von ›Edward-Darling‹? Warum sollte er sie nach Hause bringen?
Und wieso um Himmels willen sah sie ihm überhaupt nicht ähnlich, wenn ich doch inständig annahm, dass sie seine Schwester war? Und wann, verflixt, aß diese Frau denn mal was?
Edward machte uns miteinander bekannt. »Chloe, darf ich vorstellen? Das ist Stella. Sie kommt aus Deutschland. Wir haben uns vor Kurzem im Hampstead Heath kennengelernt. Stella, das ist Chloe, meine … Verlobte.«
Zwischen den Worten ›meine‹ und ›Verlobte‹ hatte er eine kleine Pause eingelegt, so als brächte er Letzteres in meiner Gegenwart nicht über die Lippen.
Es war, als wäre in mir etwas gestorben. Chloe, die offensichtlich das Einfühlungsvermögen und die Intuition einer Sitzecke besaß, merkte von all dem nichts, auch nicht die Art, wie er mich ansah: In seinen Augen lag eine Mischung aus Schmerz, Entschuldigung und Verlangen.
Stattdessen beeilte sich Chloe hinzuzufügen, dass sie Lady Chloe Hallberry sei und ihre Familie, ähnlich wie Edwards Familie, seit Jahrhunderten in der ersten Liga des englischen Adels mitspiele. Gar nicht ladylike hielt sie mir dann unaufgefordert und so dicht, dass ich daran hätte lecken können, ihren riesigen, funkelnden Verlobungsring unter die Nase und wartete auf irgendeine Reaktion meinerseits.
Ich presste ein »Sehr hübsch« heraus, was Chloe genügte, um weiterzuschnattern und von ihren Hochzeitsvorbereitungen zu berichten.
Unseren Zwischenfall oder, besser gesagt, mein unelegantes Attentat auf ihren Fuß ließ sie zum Glück unerwähnt. Zu so viel Takt und Anstand reichte ihre Erziehung dann doch.
Meine Fluchtinstinkte wurden wieder wach, und unter dem Vorwand, nach den Kindern und Anne sehen zu müssen, machte ich mich, so schnell es ging, aus dem Staub und entfloh der wohl schmerzlichsten Szene seit Langem. Selbst die Enttäuschung mit Konrad verblasste dagegen.
»Stella«, rief Edward mir nach, als wollte er mir noch etwas sagen. Aber für mich war jedes weitere Wort überflüssig, zumal ich laut und deutlich Chloes pikierte Frage hörte:
»Edward-Darling, wieso unterhältst du dich denn mit einer Nanny?« Nicht dass sie das Prickeln zwischen uns bemerkt hätte, nein. Offenbar erschien ihr eine Unterhaltung mit mir einfach nicht standesgemäß.
»Falls du dir Tipps geholt haben solltest, was Kinder angeht, dann schlag dir das schnell aus dem Kopf. Ich will die nächsten Jahre auf keinen Fall schwanger werden. Ich ruiniere mir doch nicht die Figur …« Den Rest ihrer Litanei konnte ich zum Glück nicht mehr hören. Ich musste eine klägliche Figur abgeben. Wie sonst sollte ich es mir erklären, dass Anne bei meinem Anblick mit einer für ihren Zustand bemerkenswerten Geschwindigkeit von der roten Picknickdecke aufsprang und mir entgegeneilte.
Nach wie vor unter Schock, beichtete ich meine »Begegnung der dritten Art«. Zum Glück kannte Anne mich lange und gut genug, um zu wissen, dass ich nicht geisteskrank war oder halluzinierende Medikamente nahm und auch nicht Geschichten erfand, um Aufmerksamkeit zu erheischen.
Fassungslos sah sie mich mit ihrem zarten Mädchengesicht an, die Wangen vor Aufregung gerötet. »Lord Stetton ist also dein Edward aus dem Park!
Und eigentlich hat er sich gerade in dich verliebt, ist aber mit Zicky verlobt.«
Gegen meinen Willen musste ich lachen. Chloe in Anlehnung an das superdünne Magermodel Twiggy aus den Siebzigern in Zicky umzutaufen gefiel mir ungemein gut. Schließlich war Zickigkeit Chloes herausragendes Merkmal, fand ich.
Anne, die genau wie ich ein Faible für alles Romantische hatte und heimlich sogar die Dornenvögel auf DVD in der untersten Kommodenschublade verwahrte, fand irgendwie Gefallen an dem Vorkommnis.
Das spürte ich instinktiv. Die Art, wie sie schwärmerisch Edwards Worte wiederholte, verriet mir genug: »Wo hast du nur die ganze Zeit gesteckt?«
»Auf Englisch klang das noch besser!«, seufzte ich. Schon während meiner Pubertät, die eigentlich viel zu milde ausgefallen war, sah man einmal von einer kurzen Phase ab, während der ich mir die Haare schwarz
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