Fremd flirten Roman
Besuch gedroht. Ein Teil von mir wünschte sich immer noch, dass Konrad zur Besinnung kommen und alles wie früher werden würde und meine ursprüngliche Lebensplanung weiterlaufen konnte. Eine andere Stimme sagte mir deutlich, dass sich mit meinem Schritt, die Praxis vorübergehend zu schließen, aus Berlin wegzugehen und ein neues Leben auszuprobieren, zu viel geändert hatte. Oder hatte ich mich zu sehr geändert?
Mit etwas Abstand musste ich erkennen, dass ich in einen Trott geraten war, in eine Routine, die keine lebendige mehr gewesen war, und mich mein Job, der mich anfangs mit Leidenschaft erfüllt hatte, am Ende nur noch ausgebrannt hatte. Alles,wofür ich so lange gearbeitet hatte, bedeutete mir auf einmal nichts mehr. Anstatt zu überlegen, wie ich noch mehr Patienten gewinnen konnte, um erfolgreicher zu werden, und anstatt mehr Wochenendseminare anzubieten und Fortbildungen abzuhalten, um die Praxis schneller abbezahlen zu können, wollte ich nur noch eins: abschalten, ausschalten und in Ruhe überlegen, in welche Richtung sich mein Leben weiterentwickeln sollte. Das Schlimmste war, fand ich, dass mein Talent und meine Freude, anderen Menschen zu helfen, vor lauter Erschöpfung auf der Strecke geblieben waren. Während ich meinen Patienten predigte, weniger zu arbeiten oder sich einen Ausgleich zu ihrem Job zu suchen, rödelte ich weiter im Hamsterrad der Selbständigkeit, ohne zu merken, wie die Zeit verging und ich nicht wirklich weitergekommen war.
Mit Konrad hatte ich vermieden, das Thema Kinder auszudiskutieren, in der Hoffnung, er würde irgendwann von selbst den Wunsch äußern. Und jetzt stand ich ohne Konrad und ohne eine eigene Familie da und hatte dafür ein paar Krähenfüße mehr um die Augen.
Mir war klar, dass ich einen neuen Lebensentwurf brauchte, eine Perspektive. Die Zeit in London würde ich dazu nutzen, denn ewig konnte ich nicht bei Anne und Axel bleiben, sosehr ich mir das auch im Moment gewünscht hätte. Aber für die Rolle der übrig gebliebenen Freundin mit Familienanschluss war ich dann doch zu jung. Außerdem war ich optimistisch, eines Tages auch eine Vicky und einen Leo zu haben. Falls es eine Helena oder ein Ludwig werden würde, konnte man ja immer noch türmen.
»Iih, dein Bruder stinkt! Der hat sich wohl in die Hose gemacht!« Helena hielt sich demonstrativ die Nase zu und zeigte angewidert auf Leo, der leider mal wieder aus Versehen Pipi indie Hose gemacht hatte. Ich war mir nie sicher, ob es aus Faulheit passierte oder weil er vor lauter Konzentration alles um sich herum vergaß. Zum Glück kam das nur noch ganz selten vor, aber natürlich just in dem Moment, in dem Margits Persil-Wunderkinder da waren.
Zum Glück hatte Vicky die Schlagfertigkeit ihrer Mutter geerbt und gab Helena kräftig Kontra: »Na und? Er versucht eben alles, damit ihr endlich geht. Wenn er es nicht gemacht hätte, hätte ich’s gemacht!«
Eins zu null für Vickys unerschrockenen Auftritt. Sie liebte Leo, und wenn jemand auch nur wagte, ihm ein Härchen zu krümmen, bekam er es mit seiner großen Schwester zu tun.
Ich zog Leo schnell trockene Sachen an und sah dann unten nach, wie weit die desperate housewives gekommen waren.
Helena rannte an mir vorbei die Treppen hinunter und rief schadenfroh, noch bevor ich unten angekommen war: »Mama, Leo hat sich schon wieder in die Hose gemacht! Der ist wirklich noch ein Baby, genau wie du gesagt hast. Können wir jetzt endlich los? Da oben stinkt’s!«
Als ich ins Wohnzimmer trat, sah ich Annes kochend rotes Gesicht, und Margit, die vergnügt lächelte.
Mit Unschuldsmiene wehrte ich ab. »Ach, so sind Kinder eben! Dabei haben sie vorhin so schön gespielt. Vor allem Ludwig. Wie der ein Make-up aus Vickys Schminkkopf gezaubert hat, war wirklich eindrucksvoll zu beobachten. Er beherrscht ja sogar Ausdrücke wie ›Eyeliner‹ und ›Lipgloss‹! Und auch mit Stoffen und Designern kennt er sich aus. Sehr bemerkenswert für einen sechsjährigen Jungen! Oder hättet ihr in seinem Alter schon gewusst, wer Coco Chanel war und welche Materialien sie für ihre legendären Kostüme verwandte? Also ich nicht!«
Einerseits fühlte ich mich schlecht, Ludwigs Vorlieben zu benutzen, um Margit eins auszuwischen. Auf der anderen Seite würde er früh genug erfahren, wie »tolerant« seine Supermutti war, und von zu Hause abhauen. Ich musste daran denken, ihm meine Adresse zuzustecken, damit er einen Zufluchtsort hatte. Margits offen stehender Mund ob meines
Weitere Kostenlose Bücher