Fremd flirten Roman
älter man wurde?
Nachdem ich die »Food Hall« verlassen hatte, führte mein Weg wieder bergab an den kleinen Cafés und Geschäften vorbei in Richtung Rosslyn, einem alteingesessenen Delikatessengeschäft, das mit seiner glänzenden Holzeinrichtung und den bodenlangen Fenstern so aussah, als hätte Professor Higgins aus My Fair Lady hier schon seine Besorgungen gemacht.
Ich wollte unbedingt den hausgemachten Paprika-Hummus kaufen. Vicky und Leo liebten den Hummus mit frischen Bagels.
Die kleinen Glöckchen über der schweren Eingangstür klirrten heiter, als ich eintrat und vorbei an den großen Brotkörben mit frischen Baguettes und Landbroten zur Fleisch- und Käsetheke ging. Hier gab es alles, was das Herz begehrte: knusprige, in Honig gebackene Hühnerschlegel, Schinken aller Art, Käselaibe, eingelegte Antipasti, selbst gemachte Pasten …
Die freundliche, weiß beschürzte Verkäuferin wog den Hummus ab und legte mir zum Probieren eine italienische Sarsiccia mit in die Tüte. Von der beruhigenden klassischen Musik getragen, ging ich an den gefüllten Holzregalen vorbei in Richtung Kasse.
Vor dem Weinregal und den alten Reisekoffern, die als Dekoration davorlagen, kniete ein Mann, der mir sehr vertraut vorkam.Bevor ich ihn einordnen konnte, hatte er sich umgedreht und mich entdeckt.
»Na, dass du hier gern einkaufen gehst, habe ich mir gedacht! Geschmackvoller Laden, und tolle Weine haben die!« Konrad, überhaupt nicht böse, dass ich mich noch nicht gemeldet hatte, lächelte mich fröhlich und ohne jeden Vorwurf an, und plötzlich hatte ich das Gefühl einer wohltuenden Vertrautheit.
Wie einfach war mein Leben mit Konrad doch gewesen!
»Wollen wir einen Kaffee trinken, oder ist das hier ein Sakrileg, und wir müssen Tee mit Scones bestellen?«, frotzelte er und sah mich mit seinen warmen braunen Augen an, die ich in- und auswendig kannte.
Hier, in dieser neuen Umgebung und fernab von den Erinnerungen an die letzten Horrormonate, wirkte er wieder wie mein alter Konrad.
»Machst du Witze? Die Engländer trinken inzwischen mehr Kaffee als Tee, oder was meinst du, wie sich die vielen Coffee-to-go-Shops hier halten? Staatlich unterstützt werden die auf jeden Fall nicht. Lass uns zu ›Starbuck’s‹ gehen!«
Als ich Konrads entsetzten »Wie-du-willst-zu-einer-globalen-Kaffeekette-gehen-deren-Sessel-von-knutschenden-Teenagern- eingesaut werden?«-Blick sah, musste ich lachen.
»Glaub mir, in Hampstead ist der ›Starbuck’s‹ die gemütlichste und sauberste Kissenburg, die du je gesehen hast. Da lassen sie auch solche Tattergreise wie dich rein.«
Zu meiner Überraschung lachte Konrad, obwohl ich eine Anspielung auf sein Alter gemacht hatte. Er würde doch nicht völlig von seiner Midlife-Crisis geheilt sein?
Bei »Starbuck’s« ließen wir uns auf die bordeauxfarbene Riesencouch fallen, bestellten beide einen doppelten Latte und plauderten entspannt über alles Mögliche, nur nicht über uns.
Zwischen Konrad und mir gab es nicht diese Anziehung, die ich bei Edward spürte und die mir stets einen flauen Magen bescherte, aber nach so langen Jahren war das vielleicht auch nicht mehr möglich. Ich versuchte, mich zu erinnern, wie es am Anfang zwischen uns gewesen war. Doch ich wusste selbst, dass ich in Konrad zwar heftig verliebt gewesen war, aber dieses Gefühl war nicht mit dem zu vergleichen, das ich für Edward empfand. Von Konrad, dem bekannten Herrn Professor, der in jeder Lebenslage Rat wusste, war ich in erster Linie beeindruckt gewesen. Sein großes Wissen und seine Lebenserfahrung hatten mir sehr imponiert. Edward begegnete ich auf Augenhöhe. Wir entstammten derselben Generation, und ich hatte das Gefühl, dass jeder dem anderen in gleichem Maße ausgeliefert war. Keiner von uns war dem anderen überlegen und diktierte das Geschehen.
Die Geschichte mit Edward war aber vorbei, und so, wie man an einem kalten Wintertag ein warmes Lavendelbad nimmt oder seinen dicken, flauschigen Lieblingspulli anzieht, vermittelte Konrad mir in diesem Moment eine vertraute Geborgenheit, etwas, das mir wohltat.
Ich zuckte nicht einmal zusammen, als er beiläufig seinen Arm um mich legte.
»Wie sieht’s aus, kannst du mir Kindskopf verzeihen und uns eine zweite Chance geben? Oder spukt dir dieser aufgebrachte Engländer im Kopf rum?«
Gute Frage, nächste Frage! »Mal sehen« und »Ja«, lauteten wohl die ehrlichen Antworten auf die Fragen eins und zwei. Doch eingelullt und aufgefangen von einer
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