Fremd flirten Roman
vor.
Dass Dr. Gendt mich ständig mit Hella anstatt Stella ansprach und auch als Hella vorstellte, verzieh ich ihm in Axels Namen. Wahrscheinlich passte es nicht in sein Weltbild, dass eine Frau ohne Abitur und Studium oder angemessenes Erbe Stella hieß.
Seine Familie bestand aus sympathischen Menschen, denen man ihren Wohlstand kaum anmerkte. Ich fühlte mich sofort wohl und unverkrampft und unterhielt mich angeregt mit Tochter Beatrice, die gerade für ihr zweites juristisches Staatsexamen büffelte und die einige lustige Juristen-Anekdoten auf Lager hatte.
Dr. Gendt, der kleiner als seine hochgewachsene, schöne Frau Doris war, machte die fehlenden Zentimeter mit einer unfassbaren Energie und einem ungeheuren Selbstbewusstsein wett. Die beiden waren ein glückliches Paar, das merkte man sofort an der Art, wie sie miteinander umgingen und sich gegenseitig neckten.
»So, es fehlen vier Gäste, die jeden Moment hier sein müssten; dann beginnen wir unsere kleine Schiffsreise!«, rief Dr. Gendt, der Kapitän, und freute sich wie ein kleiner Junge.
Ich ließ mir von einer der Bediensteten den Weg zur Toilette zeigen. Der Raum war zwar klein, aber sehr schön eingerichtet mit Holz, weißen, neuen Waschbecken und einem kleinen Bullauge, das mit einer Folie bezogen war, damit man vor unliebsamen Blicken von draußen geschützt war – zumindest wollte ich das hoffen! Als ich mir die Hände wusch und einen der Düfte, die auf der Ablage bereitstanden, auf mein Handgelenk sprühte, merkte ich plötzlich einen Ruck, ein Wackeln, und dann waren wir auch schon unterwegs, wie ich bei einem Blick durchs Fenster an den vorbeiziehenden Schiffen und Bäumen erkennen konnte.
Also waren die letzten Gäste in der Zwischenzeit eingetroffen, und wir konnten endlich mit dem Essen anfangen. Schön, dachte ich, denn ich hatte allmählich Hunger.
Gut gelaunt gesellte ich mich zu der netten Runde, nur um im nächsten Moment unerwartet vom Schlag getroffen zu werden! Die letzten vier Gäste entpuppten sich als Edward, Chloe, Tante Diana und Onkel Robert!
Das Hungergefühl schlug sofort in Übelkeit um. Mein einziger Trost war, dass sowohl Edward als auch Zicky genauso überrascht und entsetzt dreinschauten wie ich. Diana zog verächtlich die schmalen Lippen zusammen, und Robert zwinkerte mir erfreut zu.
Hilfe! Ich war gefangen. Ich saß in der schwimmenden Falle und würde einen Abend auf engstem Raum mit Edward und Zicky verbringen müssen. Wir würden uns noch nicht einmal aus dem Weg gehen können. Axel legte seine Hand beruhigend auf meine Schultern. Er fürchtete bestimmt einen Eklat.
Entweder hatte es Dr. Gendt nicht mit emotionaler Intelligenz so weit als Manager gebracht oder er war einfach sehr gut im Überspielen von merkwürdigen Situationen. Zumindest klopfte er Edward erfreut auf die Schultern und rief fröhlich in die Runde:
»Ihr kennt euch ja alle schon aus dem Club, nehme ich an. Darf ich ins Innere zum Dinner bitten? Ihr findet eure Plätze anhand der Namenskärtchen. Ach so, Axel, lässt man Ihr Kindermädchen überhaupt in den Club hinein? Dann stell ich mal lieber vor: Die Schönheit an Axels Seite ist nicht seine Frau, sondern Hella, sein Kindermädchen. Axels Frau ist erkrankt.«
Axel und ich gingen betont langsam und ließen den anderen den Vortritt.
Ich stieß ihn im Gehen in die Seite. »Wusstest du davon?«, zischte ich.
Axel schüttelte energisch den Kopf. »Glaub mir, ich hatte keine Ahnung! Ich wusste nicht einmal, dass Gendt mit Edward so engen Kontakt pflegt. Mich wundert, dass die beiden so dicke miteinander sind.«
Mich wunderte eher, wie klein die Welt war und welche Zufälle es gab.
Im Inneren des Schiffes war ein großer runder Tisch mit langemweißem Tischtuch, Porzellan und Silber eingedeckt. Vor lauter Aufregung nahm ich das Ambiente aus Holz, schweren Vorhängen, weichen, dicken Teppichen, antiken Spiegeln und Blumen sowie jeder Menge Bullaugen erst auf den zweiten Blick wahr. Mich interessierte jedoch mehr, wo ich zum Schafott geführt werden würde, also neben wem ich sitzen musste. Bei meinem Glück würde ich mich bestimmt gleich zwischen Tante Diana und Onkel Robert wiederfinden, der mir wie zufällig unterm Tisch ans Knie fassen würde, während sie versuchte, mir in einem unbeobachteten Moment Abführmittel ins Essen zu mischen.
Axel fand unsere Plätze und machte mir ein Zeichen. Zum Glück war er einer meiner Tischherren und saß rechts von mir. Ein kurzer Blick nach links
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