Fremd flirten Roman
– und mir wurde flau, denn an dem Gedeck neben meinem stand – wie sollte es auch anders sein? – Edwards Tischkärtchen.
Sich ohne ersichtlichen Grund umzusetzen wäre unhöflich und peinlich gewesen. Und wenn etwas nicht ging, dann war es, Axel zu blamieren. Für ihn war dieser Abend so ungemein wichtig!
Also würde ich mich selbst übertreffen, meine Gefühle hintanstellen und Axel die beste Begleitung sein, die es gab. Nach Anne, versteht sich.
Edward setzte sich neben mich und versuchte die ganze Zeit, Blickkontakt aufzunehmen.
Dr. Gendt stand auf und hielt seine Begrüßungsrede. »Ich freue mich besonders, euch alle willkommen zu heißen. Wie ihr wisst, möchte ich mich seit Längerem mit der Firma in einem Projekt engagieren, das mir sinnvoll erscheint. Es ist vielleicht kein Geheimnis, dass ich gern esse und trinke und mir die Produkte dabei sehr wichtig sind. Edwards Gut und seine Organisation finde ich da geradezu vorbildlich. Rouseham zeichnet sich durchregionalen und saisonalen Anbau mit ökologischen Mitteln aus und kann zudem eine artgerechte Tierhaltung vorweisen, was besonders meiner lieben Frau Doris ein Anliegen ist. Ich denke, es ist eine löbliche und lohnenswerte Aufgabe, mehr englische und europäische Bauern von diesem Modell zu überzeugen. Deshalb werden Edward, Robert und ich bald eng in diesem Bereich zusammenarbeiten.«
Edward lächelte, hob sein Glas und prostete Dr. Gendt zu. Jetzt wussten wir also, weshalb er mit seiner Mischpoke da war. Nur kurz fragte ich mich, warum sein Onkel und seine Tante, die doch hoch verschuldet waren, ihn hatten begleiten dürfen. Bestimmt auch so eine alberne Familientradition oder Verpflichtung! Was Axel und ich hier sollten, war noch nicht klar, es sei denn, Axel hatte sich schon bei anderer Gelegenheit als begnadeter Scharade-Spieler entpuppt.
Dr. Gendt ließ den ersten Gang, eine Fischterrine an geeister Apfel-Meerrettich-Mousse, auftragen, gleichzeitig versuchte ich, Zickys giftigen Blicken auszuweichen. Sie starrte mich die ganze Zeit so an, als hätte sie lieber mich als Mousse auf ihrem Teller gesehen. Es musste eine Tortur sein, mir so nahe zu sein und mich nicht beleidigen zu können.
Zum Glück wurde zum ersten Gang ein sehr erfrischender Weißwein gereicht, der mich mit der Zeit lockerer werden und die Anspannung von mir weichen ließ.
Inzwischen schaute ich auch nicht mehr nur starr geradeaus oder verkrampft nach rechts zu Axel. Ich hatte schon einen Blick nach links zu Edward hinüber gewagt, der im selben Moment zu mir geschaut hatte. Und dieser Augenkontakt hatte bei mir fast Schnappatmung ausgelöst. Ich war noch lange nicht über ihn hinweg, erkannte ich. Sein Anblick raubte mir die Sinne, seine Stimme verursachte mir eine Gänsehaut, seine humorvolle Artund sein brillanter Verstand öffneten meine Seele … und die Tatsache, dass er immer noch mit Zicky zusammen war, brach mir das Herz.
Obwohl wir uns nicht berührten, nicht ansahen und ausschließlich mit anderen Gästen sprachen, spürte ich, wie sehr wir eine Einheit bildeten. Wir mussten stets über dieselben Dinge lachen. Es kam sogar vor, dass wir beide gleichzeitig ein und dieselbe Frage stellten. Wie konnte er einfach sein Leben weiterleben, obgleich ich wusste, dass er jeden Tag an mich dachte?
Dr. Gendt, dem eine Ansprache nicht zu reichen schien und der sich selbst gern reden hörte, ließ uns an der Geschichte und den Details von Little Venice teilhaben. Das war anfangs noch interessant, aber nach einer geschlagenen halben Stunde und so packenden Informationen wie denen, dass der Regent’s Canal von 1912 bis 1920 mit siebenundfünfzig Brücken und drei Tunnels angelegt worden war und die zwölf Schleusen einen Höhenunterschied von fünfundzwanzig Metern ausglichen, war ich kurz davor, mit offenen Augen und höflichem Lächeln einzuschlafen.
Edward, dem das nicht entgangen war, flüsterte mir unmerklich, mit fast geschlossenem Mund und ohne sich zu mir zu drehen, zu: »Hoffentlich kennt er auch alle Wasserstände von Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts bis heute auswendig!«
Mit einem Schlag war ich wieder wach und musste all meine Kraft darauf verwenden, nicht laut loszuprusten.
Zicky schaute mich argwöhnisch an, hatte Edwards Kommentar aber nicht gehört.
Dr. Gendt sprach und sprach, und als er plötzlich tatsächlich sagte: »Übrigens, wie hoch, schätzt ihr, ist der Wasserstand des Regent’s Canal?«, war es um meine Fassung geschehen.
Ich schlug mir
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