Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Fremd küssen. Roman

Fremd küssen. Roman

Titel: Fremd küssen. Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steffi von Wolff
Vom Netzwerk:
Leben lang zu fressen.«
     
    Nun will ich aber erst mal alles ganz genau erzählt bekommen. Erwartungsvoll setze ich mich hin. Das Telefon hört nicht auf zu klingeln und Ruth ist schon ziemlich fertig mit den Nerven.
    »Also«, beginnt Pitbull. »An dieser Stelle möchte ich erst noch einmal betonen, dass das die genialste Idee war, die ich jemals hatte! Gleich morgen werde ich beim ›Guinness-Buch der Rekorde‹ anrufen und dann komme ich als der Mensch in das Buch, der an einem Tag die meisten Anrufe bekommen hat!«
    »Moment mal!« Ich bin sauer. »Das war unsere Idee, nicht deine alleine. Nun mach aber mal ’nen Punkt!«
    Pitbull winkt ab. »Dann war es eben unsere Idee«, sagt er beleidigt. »Aber ich hatte heute die ganze Arbeit!«
    »Ich auch!«, krächzt Ruth im Hintergrund.
    »Also«, beginnt Pitbull erneut. »Zweitausendeinhundertachtunddreißig Anrufe hatten wir insgesamt, den eben noch mitgezählt. Und alle Leute wollten Details wissen und eine Wegbeschreibung haben oder wollten wissen, welcher Dresscode vorgeschrieben ist und so weiter. Wir haben offensichtlich eine wirkliche Marktlücke entdeckt!«
    Das gibt’s ja nicht. Über zweitausend Anrufe! Ich kann es gar nicht glauben.
    »Morgen bespreche ich meinen Anrufbeantworter neu und laber da diese ganzen Infos drauf, dann sind die Leute zufrieden. Wir müssen jetzt aber wirklich in die Puschen kommen!« Das ist ja nichts Neues, dass er das sagt. Er tut immer so, als ob nur ER in die Puschen gekommen wäre und sonst noch niemand. »Am Wochenende fahrt ihr nach Bremen und holt den Kram. Der Pinki hat einen relativ großen Lieferwagen organisiert, den kann Tom fahren, du baust damit sowieso nur einen Unfall nach dem anderen, dann kommen deine restlichen Möbel hierher und dann haben wir wenigstens dich mit deiner Wohnung von der Backe!«
    Ach, man will mich von der Backe haben. Ich werde böse. »Ich kann mich auch ausklinken«, sage ich. »Von mir aus macht doch euren Kram allein! Dann könnt ihr sehen, wo ihr bleibt.«
    So wäre das ja nicht gemeint gewesen, beschwichtigt mich Pitbull. Aber ich müsste schon einsehen, dass ich zu einer Art Sorgenkind mutiert wäre die letzten Wochen. Nett, dass er das von mir denkt. Wichtigtuerisch holt er seinen Terminplaner hervor und blättert darin wie ein Ölbaron, der noch mal eben nachschauen muss, ob er einer seiner Exfrauen schon den Unterhalt, natürlich einen siebenstelligen Millionenbetrag, auf ihr Konto in die Schweiz überwiesen hat. »Das wird ein Sommer«, ruft er. »Los, wir gehen essen.«
     
    Weil das so ein Sommer wird, sage ich nicht nein. Und weil Pitbull mich einlädt, esse ich Pasta Mista und davor eine Tomatensuppe mit Sahnehaube und hinterher Tiramisu. Und weil man ja nichts umkommen lassen soll, esse ich alles auf, und weil Ruth ihr Tiramisu nicht will, auch ihres. Meine Oma wäre stolz auf mich gewesen. Meine Waage nicht, aber die befindet sich immer noch in meinem Keller. Ein guter Platz für eine Waage.
     
    Am nächsten Tag ist in der Redaktion die Hölle los. Tausend Besprechungen und alle sind gereizt und motzen sich gegenseitig an. Mir wird ein paar Mal schwindlig. Der Kreislauf, der Kreislauf. Das habe ich manchmal, da zu niedrigen Blutdruck.
    Mein Rechner stürzt dreimal hintereinander ab und ich bin kurz vorm Heulen, weil ich natürlich nichts abgespeichert habe. Ich speichere immer zu spät ab. Um es kurz zu machen, es geht mir beschissen und als ich nach der 16 -Uhr-Sitzung aufstehe, kollabiere ich im Foyer. Das Nächste, was ich mitbekomme, sind Mengen von entsetzten Augenpaaren, die mich von oben anstarren, weil ich ja auf dem Boden liege. Irgendjemand ruft »Stabile Seitenlage«, und Zladko will meine Beine hochlegen wegen der Durchblutung, drückt sie aber so weit nach hinten, dass ich beinahe eine Rolle rückwärts mache. Bernd, der Redaktionsleiter, besteht darauf, mit mir ins Krankenhaus zu fahren. Also trinke ich ein Glas Wasser und fahre mit ihm los.
     
    Nie, nie, nie wieder werde ich in ein Krankenhaus fahren, nachdem ich umgekippt bin. Nie wieder.
    Wir verlaufen uns natürlich in diesem Riesenkomplex, fragen irgendwann irgendwelche Ärzte nach dem Weg und sitzen schließlich auf zwei Plastikstühlen vor einem Besprechungsraum, an dem steht »Nur nach Aufforderung eintreten«. Ein Weißkittel kommt schließlich aus dem Zimmer und bittet uns herein. Dann setzt er sich vor uns und sagt kein Wort. Bernd beginnt, die Zusammenhänge zu berichten, aber der Arzt starrt mich

Weitere Kostenlose Bücher