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Fremd küssen. Roman

Fremd küssen. Roman

Titel: Fremd küssen. Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steffi von Wolff
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gefehlt.
    Henning macht auf superwichtig und kommandiert alle herum. Ich trottle ihm hinterher. Ob ich an den Ablaufplan gedacht habe? Hab ich natürlich nicht. Was zur Folge hat, dass ich noch hektisch am Computer alles runterhacke, Henning im Nacken, der ständig auf die Uhr schaut und behauptet, der Zug würde letztendlich nicht fahren, nur weil ICH a) zu spät gekommen wäre, b) sowieso keine Lust hätte und c) noch nicht mal das Nötigste organisiert hätte. Er hat ja Recht. Aber sonst ist doch alles da.
     
    Wir fahren in einem VW -Bus an ein Abstellgleis der Bahn auf der Mainzer Landstraße. Ich muss fahren, weil ich den Sender-Führerschein habe. Das ist auch so was. Bei uns reicht es nicht aus, einen regulären Führerschein zu haben, nein, man muss intern bei der Fahrbereitschaft noch einen machen, damit die sich davon überzeugen können, dass man nicht mutwillig Stoppschilder umfährt oder alten Frauen die Beine ab. Alle anderen waren bislang zu faul, diesen Führerschein zu machen, nur ich musste natürlich wieder dran glauben, was zur Folge hat, dass ich immer wie der letzte Depp VW -Busse oder Kombis mit Kollegen drin zu Außenterminen chauffieren darf. Denn nur wenn man den internen Führerschein hat, darf man andere Personen mitnehmen. Ganz toll.
    Auf dem Gleis ist es total zugig. Die Cola-, Chips-, Sandwich-, Salzstangen-, Bier-, Sekt- und alle möglichen anderen Männer warten bereits genervt vor ihren überdimensionalen Lieferwagen und wollen endlich ausladen. Wir müssen aber noch auf Herrn Mustafa warten, der die Aufsicht hat und die Schlüssel für den Zug und der nicht kommt. Zum Glück hab ich seine Handynummer.
    »Alo?«
    »Hallo, hier spricht Carolin Schatz!«
    »Isch hab nix gemagt!«, kreischt Herr Mustafa.
    »Aber Herr Mustafa«, sage ich. »Natürlich haben Sie nichts gemacht. Sie sollen aber was machen, nämlich hierher … «
    »Isch hab kein Schult!« Herrn Mustafas Stimme droht zu kippen.
    »Herr Mustafa, ich bin Frau Schatz von Easy-Radio, wir warten hier am Zug auf Sie, damit Sie uns aufschl … «
    »Isch hab wirklllllisch nix gemagt! Hab isch kein Schult an nix!« Gleich wird mein Handy in tausend Einzelteile zerspringen. Vielleicht kann ich ja dann mit einem davon den Zug aufschließen.
    Herr Mustafa schreit: »Geb isch Ihn mei Frau! Kann bezeug, dass isch hab nix gemagt!«
    Die Frau kommt an den Apparat und brüllt: »Alo! Hat mein Mann kein Schuuuult. Hat er nix gemagt!« Frau Mustafa legt daraufhin einfach auf.
    Henning dreht total durch. Die Getränke-, Chips- und anderen Männer wollen wieder fahren, weil sie noch andere Termine haben. Ich versuche zu schlichten und schlage vor, bei der Bahnzentrale anzurufen. Das will Henning jetzt lieber machen, weil er befürchtet, dass auch dort ein Herr Mustafa drangehen wird, der nix gemagt und kein Schuuuuult hat und mich abwimmeln wird.
    Der Herr Löffel von der Bahn erklärt Henning, dass Herrn Mustafas Sohn Gülhan immense Spielschulden gemacht hat und jetzt bei Herrn Mustafa zu Hause dauernd Leute anrufen, die ihn bedrohen, sollte er nicht zahlen. Er bittet um Verständnis für Herrn Mustafas Situation und verspricht, bei Herrn Mustafa anzurufen. Er ruft dann gleich zurück.
    Wir warten. Drei Minuten später klingelt Hennings Handy. Es ist Herr Löffel, der behauptet, nichts gemacht zu haben und er hätte auch keine Schuld. An nichts.
    Gleich breche ich zusammen, gleich.
     
    Wir versuchen, zusammen mit den Getränkemännern die Zugtüren mit einem Vierkantschlüssel aufzuhebeln, was allerdings nicht von Erfolg gekrönt ist. Die Getränkemänner meinen dann irgendwann, sie müssten jetzt wirklich fahren, und laden kästenweise die Sachen auf den Bahnsteig. Die Chips- und
    Flipsmänner machen dasselbe. Und zehn Minuten später ist auch der Sandwichmann gefahren. Jedenfalls sind wir versorgt, falls uns hier keiner findet.
    Wir versuchen mehrfach, die Pressestelle der Bahn anzurufen, aber niemand hebt ab, auch nicht, nachdem Henning die Rufnummerunterdrückung in seinem Handy aktiviert hat. Es ist zum Verzweifeln. Ein unglücklich aussehender Mann in einer orangenen Latzhose fegt den Bahnsteig. Wir erklären ihm unsere Situation und er verspricht, Hilfe zu rufen, und zieht ein Walkie-Talkie in der Größe einer Kompaktanlage aus seiner Hosentasche.
    »Maddock two, Maddock two, hier stehn Leude uffem Steisch, die sache, sie wollde mit em Zuch fahre um zwaa. Klär doch emal ab, ob da irschendwann emal jemand komme dud!«, brüllt er

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