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Fremd küssen. Roman

Fremd küssen. Roman

Titel: Fremd küssen. Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steffi von Wolff
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Kiefer ausklappen und anfangen, mich zu verschlingen. Ich werde im Senckenbergmuseum in Frankfurt enden; die obere Hälfte meines Körpers steckt in Lola, nur mein überdimensionaler Hintern ist hinter einer Glasscheibe zu bewundern. Bestimmt ist Herr Dunkel im Senckenbergmuseum dann Dauergast.
    Eine Viertelstunde später liege ich in einem Krankenwagen, der mit Blaulicht durch die Straßen rast. Pitbull kam glücklicherweise ins Schlafzimmer und hat mich so vor dem sicheren Tod bewahrt.
    Das Problem ist nur, dass Lola so gar nicht von mir wegwollte. Der Reptilienexperte wollte Lola töten, aber Pitbull meinte, dann würde er ihn auch töten, und fing an zu heulen und ist gleichzeitig mit Fäusten auf ihn losgegangen, woraufhin im Schlafzimmer ein kleines Handgemenge losging. Und ich, die ich fast keine Luft mehr bekam, saß von Lola gefesselt im Bett und fühlte mich fast wie die Frauen, die sich im Happy-Sun-Sonnenstudio eine Elektrodenwasserbehandlung gönnen. Irgendjemand kam schließlich auf die Idee, einen Krankenwagen zu rufen. Der Mann in der Notrufzentrale wollte keinen Wagen schicken, weil er nicht glaubte, dass eine Frau von einer Schlange gefesselt in einem Bett in der Schmidtstraße sitzt. Zum Glück konnte er überzeugt werden. Weder Arzt noch Sanitäter konnten Lola losbekommen und niemand wusste, wie hoch man ein Betäubungsmittel dosieren muss, das eine Schlange verabreicht bekommen soll. Ich wurde mit Lola auf eine Bahre gelegt und abtransportiert, dümmlich beglotzt von allen möglichen Leuten aus der Nachbarschaft.
    Irgendjemand im Krankenhaus hatte auch mal eine Schlange und weiß, wie viel Betäubungsmittel man Boa constrictors geben kann, ohne dass sie sterben. Und zehn Minuten später bin ich frei. Das, was von meiner Haut zu sehen ist, sieht jetzt aus wie Schlangenhaut.
    Es ist halb neun Uhr morgens, als ich völlig kaputt in Pitbulls Bett einschlafe. Pitbull sitzt vor Lolas Terrarium und starrt verzückt seine schlafende Schlange an. Die ist ja auch viel wichtiger als ich.

26

    Ich verbringe den ganzen Sonntag damit, mir zu überlegen, wie ich die Swingerclubgeschichte Jo und den anderen erzähle. Ich könnte einfach sagen, dass ich da so reingerutscht wäre wie damals Christiane F. mit den Kindern vom Bahnhof Zoo.
    Oder ich behaupte, dass die anderen mir wissentlich verschwiegen hätten, um was es eigentlich geht, und mich in der Annahme gelassen hätten, wir würden ein Therapiezentrum für frustrierte Mittdreißigerinnen mit Gewichtsproblemen aufmachen. Oder ich tue so, als ob ich übers Wochenende taubstumm geworden wäre. Ich kann es drehen und wenden, wie ich will, ich komme zu keinem einigermaßen logischen Schluss. Pitbull behauptet, ich würde mich viel zu verrückt machen, und bietet mir an, am Montag mitzukommen und alles zu erklären. Zur Not würde er auch alle Schuld auf sich nehmen. Das fehlt gerade noch. Nein, das muss ich schon alleine machen. So vergeht der Sonntag damit, dass ich auf Pitbulls Sofa sitze, mich deprimiert mit Chips und Macadamia-Nüssen voll stopfe und nichts meine Stimmung aufhellen kann. Schon gar nicht die Tatsache, dass sich innerhalb von einer Viertelstunde neue Speckringe wegen der Nüsse an meinen Hüften bilden. Wo doch Nüsse Energielieferanten sind und viele Vitamine haben und viele Sportler Nüsse essen. Ja. Sportler.
     
    Montagmorgen, neun Uhr. Ich betrete das Funkhaus mit Wackelpudding in den Knien. Vor der Redaktion atme ich noch einmal tief durch und dann öffne ich die Glastür. Alle sind schon da, aber niemand sagt was. Es gibt zwei Möglichkeiten: a) ihnen ist es peinlich oder b) Jo hat allen gesagt, dass er zuerst mit mir allein sprechen möchte. Letzteres ist der Fall. Ich habe kaum meine Tasche abgestellt, da steht er vor mir und fragt, ob ich mal eben mit in sein Büro komme.
    Gleich fange ich an zu heulen, gleich.
    Jo schließt die Tür, setzt sich hin und schaut mich an. Dann sagt er: »Peter hat mir alles erzählt. Das ist ja eine großartige Idee, Caro. Erzähl mal!«
    Mir fällt die Zugspitze vom Herzen. »Du bist also nicht sauer?«, frage ich.
    »Blödsinn«, sagt Jo. »Das ist doch allein deine Sache, was du machst. Und ich glaube, dass das ein Riesenerfolg wird. Wie bist du nur auf die Idee gekommen?«
    Endlich, endlich kann ich alles erzählen. Ist das ein gutes Gefühl. Und ich erzähle tatsächlich alles und lasse nichts aus.
    »Ich habe Peter übrigens gesagt, dass ich es nicht gut finde, dass er es überall rumerzählt

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