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Fremd küssen. Roman

Fremd küssen. Roman

Titel: Fremd küssen. Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steffi von Wolff
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Sicherheitsdienst eingetreten, alle dachten, ich hätte mir die Pulsadern aufgeschnitten, und dann soll ich das Haus verlassen. Ist vielleicht auch besser so. Ist besser (weil ich ja sowieso eine alte Frau bin). Zladko besteht darauf, mich nach Hause zu fahren. Ich bin so übernächtigt, frage ihn aber, ob er findet, dass ich ein faltiges Gesicht habe, woraufhin er mich fragt, ob er ehrlich oder höflich sein soll. Danke, das reicht. Er fügt aber noch hinzu, dass gerade Frauen in Würde altern sollten.
     
    Wieso riecht es denn im Treppenhaus so nach Farbe? Ist wieder jemand aus- oder eingezogen? Komisch, das müsste ich doch gemerkt haben oder zumindest Frau Eichner. Die kriegt ja alles mit. Noch während ich die Wohnungstür zu öffnen versuche, reißt sie mir jemand von innen auf. Es ist Richard. Er ist von oben bis unten mit Farbe beschmiert und trägt einen Badeanzug von mir. Einladend schwenkt er seinen Arm ins Innere. »Schau nur!«, ruft er. »Alles für dich. Lass Sonne in dein Herz und Farbe an die Wände und schon sieht das Leben ganz anders aus!« Ich muss die Augen schließen vor Schock. Und weil sie mir wehtun. Richard hat renoviert. Jeden Raum in einer anderen Farbe. Der Flur: neongrün. Die Küche: knallrot. Das Wohnzimmer: quittengelb. Im Schlafzimmer ist er nicht ganz fertig geworden. Es wird knatschrosa. Mein Bett hat er leider nicht mit Plastikfolie abgedeckt. Das ist jetzt auch knatschrosa. Und die Bettwäsche auch. Das Bett hat mal 2800  Euro gekostet. Nur mal so zur Information. Ich merke nur noch, wie der Boden plötzlich an der Decke ist und die Decke am Boden und die Wände gar nicht mehr da und … ist das herrlich, ohnmächtig zu werden!
    Hat irgendjemand Buchstabennudelsuppe für mich? Ich krieche durch eine dunkle Höhle. Es ist eine Tropfsteinhöhle. Niemand kann mir sagen, wo der Ausgang ist. Ich sehe nur Rauch und finde keinen Ausgang. Ein Teletubby kommt auf mich zu und sagt »Tinkywinky«. Und weist mir den rechten Weg. Es ist ein böses Teletubby, denn es war der falsche Weg. Kein Ausgang weit und breit. Dann steht Mary Poppins vor mir, winkt mit einem Sonnenschirm und tanzt. Ginger Rogers steht daneben (was hat die mit Mary Poppins zu tun?) und hebt anklagend den Zeigefinger. Warum? Rrrgs. Ich habe verbotenerweise geraucht und deswegen muss ich jetzt sterben. Ein Roboter kommt auf mich zu. Beim näheren Hinsehen merke ich, dass es die Kaffee-Espresso-Cappuccino-Maschine aus dem Sender ist. Sie fordert lautstark: »Wasser nachfüllen.« Ich merke, wie Falten (noch mehr Falten?) sich in meine Haut graben. Dann tut sich eine Schleuse auf und gießt acht Eimer mit knatschrosa Wandfarbe auf mich. Ich merke, dass ich langsam keine Luft mehr kriege. Ja, es ist tragisch, sie ist in Farbe ertrunken, kann ich noch schreien, kann ich noch schreien, kann ich noch … … .. AAAAAAAAAAAAAAAA - HHHHHHHHHHHHHHH !!!!!!!!!!!!!!! (Hat jetzt jemand Buchstabennudelsuppe für mich???)
    Leider nur ein Traum. Das Leben geht weiter. Ich wache schweißgebadet auf meinem Sofa auf. Vor mir steht Richard. Er hat mir Buchstabennudelsuppe gekocht. Ich liebe ihn dafür.
    Übrigens, was ich noch wissen will: Fragt mich irgendjemand, ob ich ihn heiraten möchte, wenn ich verspreche, nein zu sagen? Hallo? Hallo …?
     
    Gegen 17 Uhr geht es mir besser. Irgendwie war ein Klempner da und der hat mit Richard zusammen das Malheur im Badezimmer beseitigt. Ich kann also baden. Richard versorgt mich mit tausend Leckereien. Er holt mir sogar Leberpastete. Ich wäre gestorben, hätte ich keine Leberpastete bekommen (habe wieder PMS -Symptome). Ich liege in der Wanne und quengle rum und will Chips und Pastete und Nüsse (aber NUR Cashewkerne, und die ungesalzen) und Wein und Tee und eine Heilerdemaske. Richard läuft tausendmal in den Supermarkt und ins Reformhaus und in die Apotheke (Valium hilft) und bringt mir noch eine Kurpackung fürs Haar mit. Zwischendurch renoviert er das Schlafzimmer zu Ende. Dabei singt er »Ich weiß, es wird einmal ein Wunder geschehn!«. Meint er damit, dass er hofft, dass ich bald ausziehe? Irgendwann bringt er mir das Telefon. Pitbull ist dran und fragt, ob wir morgen zur Bank gehen wollen wegen Swingerclub und so. Gern. Gern. Er und Dead or alive wollen mich mittags aus der Redaktion abholen. Nach dem Gespräch fällt mir siedend heiß ein, dass ich noch mit keinem Menschen über mein Vorhaben gesprochen habe und über meinen Kreislaufkollaps. Menno. Wen könnte ich denn mal anrufen?

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