Fremd küssen. Roman
erscheint die erste Szene. Eine junge Frau (ich) betritt ein Haus, beladen mit vollen Einkaufstüten. Sie geht in die Küche, stellt die Tüten ab und sagt erst mal »Endlich geschafft«. In der Küche befindet sich ein Panoramafenster. Sie blickt durch dieses Fenster in den Garten und sieht einem Handwerker (Rüdiger) zu, der ein Loch schaufelt (ich nehme an, für einen Swimming-Pool). Der Handwerker sieht die Frau und hört auf zu schaufeln. Dann kommt er an die Panoramascheibe und beide blicken sich lüstern an. Die Frau setzt sich schließlich auf den Küchentisch, der Handwerker kommt durch die Panoramatür. Und jetzt geht der Dialog los. Es ist ein schwedischer Film, deswegen besonders schwer zu synchronisieren, da die Lippenbewegungen im Deutschen komplett anders sind. Der erste Dialog stellt sich wie folgt dar:
Sie: Na, schon fertig …?
Er: Haha, mit dem Garten schon …
Sie: Hihihi, ich dachte, da müssten noch Rohre für die Wasserleitungen gelegt werden.
Er: Hoho, nein, aber ich hätte mein eigenes Rohr gern verlegt.
Beide verschmitzt: Hahaha.
Sie: Es ist so schrecklich heiß heute.
Er: Machen Sie es doch wie ich! (zieht sein T-Shirt aus)
Sie: Aber, aber, Sie kommen aber schnell zur Sache. Sie … Sie sind ja ein ganz geiler …
Er: Darauf können Sie Gift nehmen. Was haben wir denn da? (packt der Frau über dem Kleid an die Brüste). Das sind ja dicke Dinger … Hmmmm.
Sie: Oh, das tut gut. Mmmhmmm.
(O Gott, wo bin ich hier nur hingeraten … )
Er: Dich vernasch ich, du heißes Früchtchen.
Sie: O ja, bitte, o ja, jaaa. Nimm mich …
Beide reißen sich gegenseitig die Klamotten vom Leib. Kameraschwenk auf die Unterleibe. Waaaah, hat der ein Ding! Ich beuge mich nach vorne, um bloß nichts zu verpassen. Rüdiger neben mir räuspert sich verlegen. Der Handwerker dringt in die Hausfrau ein. Ein verbales Gemetzel beginnt.
Sie: Fester, fester, stoß fester, stoß zu, mmmhmmm, jaaa, o Gott, o Gott …
Er: Dir besorg ich’s, du kleine Schlampe, ich mach dich fertig …
So geht das ungefähr fünf Minuten, bis sie schließlich schreit: » AAAAHHH , ich komme, ich komme!!!« (sie wirft den Kopf dabei hin und her) und er wirft den Kopf nach hinten, fletscht die Zähne und brüllt: » GGGGAAAARRRR , ich auch!!!«, zieht sein Teil aus ihr raus und ejakuliert ihr auf die Oberschenkel. (Das ist ganz wichtig bei Pornofilmen, dass ER auch wirklich kommt, deswegen muss er das Teil auch immer rausziehen, zum Beweis sozusagen. Sonst gibt es weniger Honorar! Inzwischen weiß ich so was. Die Ladys haben es da einfacher. Ein bisschen Gleitcreme und schon ist alles in Ordnung.) »Seid ihr bereit?«, quakt der eine genervte Techniker durch die Anlage. Ich schaue zu Rüdiger. Er nickt, also nicke ich auch. »Gut, dann diese Szene bitte.« Spul, spul. Da – sie geht ins Haus. Ich sage »Endlich geschafft«. Klappte auf Anhieb. »Gestorben«, brüllt der Techniker. Jetzt kommt die Panoramafensterszene. Es fällt mir schwer, so zu tun, als sei ich geil auf den 1 , 90 -Typen, weil ein 1 , 50 -Mann neben mir sitzt, der stark transpiriert und mit der Situation völlig überfordert ist. Wir kriegen beide nichts auf die Reihe. »Pause«, schreit der Techniker. »Ihr trinkt jetzt Sekt!« Eine gute Idee. Mit Sekt geht alles besser.
Nach zwei Stunden bin ich fix und fertig. Rüdiger scheint Alkohol nicht sooo gut zu vertragen, er ist in seiner Sprecherrolle so weit gegangen, dass er ununterbrochen stöhnt, auch an Stellen, an denen es gar nichts zu stöhnen gibt. Der Herr Steiger meint, das wäre doch trotzdem alles ganz gut gewesen und ich hätte mich sogar so angehört, als ob ich tatsächlich Lust bekommen hätte (ich gebe zu, ich habe Lust bekommen, Sie wissen schon: Lange keinen Sex mehr gehabt … ). Rüdiger meint, er wüsste nicht, ob das alles was für ihn wäre. Der Herr Steiger ist derselben Meinung. Für eine Pornofilmsynchronisation müsse man das richtige Händchen haben. Aber wenn mal wieder eine Sprecherrolle für eine Naturfilmproduktion, so was wie »Mit dem Steinadler auf du und du«, anstehe, würde er sich bei Rüdiger melden. Rüdiger nickt dankbar, schüttelt uns allen die Hände (iiiihhh, feucht) und verabschiedet sich.
Und mich fragt der Herr Steiger dann, ob ich wohl die nächste Woche drei Abende zum Synchronisieren kommen kann. Einen anderen Profisprecher werde er bis dahin selbstverständlich besorgen. Er bietet mir für die Synchronisation eine Pauschale von 2500 Euro an. Das ist
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