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Fremd küssen. Roman

Fremd küssen. Roman

Titel: Fremd küssen. Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steffi von Wolff
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ja nicht schlecht für ein bisschen Rumgestöhne. Ich sage zu.
     
    Das Lämpchen vom Anrufbeantworter blinkt, als ich nach Hause komme. Es ist Pitbull. Er behauptet böse, dass er mich schon den ganzen Tag auf dem Handy zu erreichen versucht (wo ist das Handy überhaupt?), der Herr Kamlade wie Schublade hätte ihn morgens angerufen. Ja, wir sollen doch bitte für nächsten Dienstag noch mal kurz einen Termin machen mit ihm, wenn’s passt. Jaja, passt. Ich rufe ihn zurück. Er ist beim »Schorsch«, wo sonst, und fragt, ob ich auf ein Bier hinkomme. Nein, heute nicht, ich werde mich einfach mal vor den Fernseher setzen oder telefonieren. Ich sage Pitbull, dass er für Dienstagnachmittag was ausmachen soll, und lege auf. Erst mal Schlafi an. Nein, erst mal abschminken und Kontaktlinsen rausmachen. Die Waage im Bad blickt mich vorwurfsvoll an. Nein, heute nicht, heute nicht. Obwohl, ich hab ja kaum was gegessen heute. Nur mal kurz draufstellen und nicht hinschauen … nur blinzeln … 62 , 5 Kilo. Ich habe ein Pfund abgenommen! Eigentlich könnte ich mir dann doch noch ein Schinken-Käse-Sandwich machen. Mit Tomate. Tomaten haben wenig Kalorien. Lecker.
     
    Kerzen an, Sandwich hingestellt, Fernsehen. Oh. Auf RTL fängt gerade »Schlaflos in Seattle« an. Ich liebe Tom Hanks und Meg Ryan. Das Dumme ist nur, dass ich bei diesen Filmen immer das heulende Elend bekomme, weil zum Schluss immer die Pärchen nach endlosen Irrungen und Wirrungen zueinander finden. Warum passiert mir so was nie? Noch nicht mal Pitbull findet mich attraktiv. Dabei sehe ich doch gar nicht so schlecht aus. Ich glaube, ich weine etwas. Weinen ist immer gut. Oder ich mache mir noch ein Schinken-Käse-Sandwich. Diesmal mit Gurke. Gurken haben wenig Kalorien. Und morgen hole ich mir diese Anti-Fett-Kapseln. Ha. Dann kann ich Lasagne, Pizza, Sahnesoße und Buttercremetorte futtern, bis ich umfalle, und kein Gramm Fett setzt an. Herr-lich … Dann fällt mir wieder ein, dass ich hier bald ausziehen muss. O mein Gott. Also erst ein Sandwich und dann weinen. Ich bin 34 . Ich werde bald 35 . Ich bin so alt. Ich bin so fett. Ich finde keinen Mann. Und Tom Hanks und Meg Ryan treffen sich gerade auf dem Empire State Building. O Goooooooott. »Das ist Magie« ist ein Satz, der in diesem Film ständig vorkommt. Ich möchte doch auch nur mal jemandem begegnen, bei dem ich sagen kann: »Das ist Magie.«
     
    Ach, ist das alles traurig. Ich mache den Fernseher aus und lege mich ins Bett. Ich kann nicht einschlafen, weil die Sandwiches wie Bleiklumpen in meinem Magen liegen. Warum bin ich nicht bulimiekrank? Dann könnte ich jetzt auf dem Klo alles wieder rauskotzen. Aber ich bin nicht bulimiekrank. Einfach nur alt, hässlich und fett. Mit diesen Gedanken schlafe ich ein.

12

    Ein trostloses Wochenende liegt hinter mir, eine trostlose Woche vor mir. In der Redaktion herrscht am Montagmorgen ein heilloses Durcheinander, als ich die Büroräume betrete. Der Morgenmoderator hat sich kurzfristig krankgemeldet und kein anderer Moderator ist aufzutreiben. Ich bekomme Schweißausbrüche vor lauter Angst, dass ich jetzt gleich gefragt werde, ob ich von 9 bis 12 Uhr moderieren kann. Im Selbstfahrerstudio. Ohne Techniker. Das heißt, man muss alles selbst machen. Ich habe Ewigkeiten nicht mehr moderiert. Leider entdeckt mich Wolfgang, der Planer, bevor ich mich auf dem Klo verstecken kann. Er kommt in einem Tempo auf mich zugerannt, dass Fliehen zwecklos ist. Der Schweiß steht ihm auf der Stirn. »Frag nicht – geh ins Studio!«, ist alles, was er zu mir sagt. Mein »Aber ich … « ignoriert er. Mit einer ausladenden Handbewegung zeigt er auf die anderen Anwesenden. Es ist tatsächlich niemand da, der jemals moderiert hat. O NEIN !!! Warum, warum, warum? Wolfgang schiebt mich vor sich her Richtung Studio und erzählt mir im Laufen, welche Themen, welche Interviews und welche Studiogäste ich habe. Wie furchtbar. Eine Band aus England ist von 10 bis 11 Uhr zu Gast. Hardrocker. Übersetzt heißt der Name der Band »Die geladenen Bettnässer«. Ich habe Angst. Die würden nur Englisch sprechen, sagt Wolfgang, aber das würde ich schon hinkriegen. Was? Die sprechen nur Englisch? Ich kann doch nur die Sätze »Hello! How are you? Maybe we are in a near relationship«. Das wird eine Katastrophe. Ich weiß es jetzt schon.
     
    Thomas, der Frühmoderator, weist mich wenigstens freundlicherweise noch mal ein wenig in die Technik ein. »On Air Assist«, daraus kommt die Musik,

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