Fremd küssen. Roman
anrufen. Ich fange am Telefon laut an zu heulen, fühle mich deprimiert und zu nichts mehr in der Lage. Meine Wohnung! Und wo Richard doch eben gerade alles renoviert hat. Woraufhin mich Gero fragt, ob ich denn wirklich vorhabe, den Rest meines Lebens in dem Barbiepuppenschlafzimmer zu verbringen. Nein, nein. Doch, doch. Meine Wohnung, meine Wohnung. Niemand kann verstehen, wie ich mich fühle. Niemand. Alles ist sinnlos geworden. Wo soll ich nur hin? Wohin, wohin?? »Ach, Schatz«, meint Gero. »Jetzt haben wir schon so viel hingekriegt, jetzt kriegen wir das auch noch hin.« Gooooooott, wie ich ihn liebe. Ich liebe ihn. Er sagt, er käme gleich vorbei. Danke, Gero. Danke.
Ich sitze verheult auf einem Korbsessel in der Küche. Gero steht hinter mir und massiert mir die Schultern. Dabei sagt er immer nur einen Satz: »Pscht, meine Kleine. Pscht, meine Kleine.« Nur weil er das immer wieder sagt, muss ich noch mehr heulen. Ich möchte meinen Schlafi gebracht haben. Gero holt mir meinen Schlafi. Mein Schlafi ist mein Pyjama. Einer meiner Pyjamas. Ich liebe Pyjamas, auch wenn das hier niemanden interessiert. Also sitze ich dann verheult in meinem Pyjama auf dem Korbstuhl und heule weiter. Habe ich schon erwähnt, dass ich heule? Egal. Ich bin SOOOOO verzweifelt. Mein ganzes Leben bricht zusammen. Und Gero massiert und massiert. Wenn er nicht schwul wäre, würde ich ihn SOFORT heiraten. Es macht mich plötzlich so wütend, dass er schwul ist. Ich stehe auf und werfe mich in seine Arme. »Pscht, meine Kleine, pscht, pscht, pscht.« »Hab mich doch lieb«, höre ich mich sagen.
»Aber ich hab dich doch lieb«, sagt Gero und küsst mich auf den Hals. Er fängt an zu singen. »Ich hab dich so lieb, ich hab dich so gern, du bist und bleibst mein Augenstern.«
»Ich möchte nicht, dass du schwul bist!«, rufe ich. »Sei doch
ein
Mal hetero. Nur für eine Nacht. Ich möchte nur
ein
Mal wissen, wie es ist, mit dir zu schlafen!!!«
Gero weicht zurück. »Carolin, bitte!« »Ach, was denn«, rufe ich und springe in meinem Schlafi vor ihm auf und ab. »Wenn ihr, die ihr schwul seid, noch nicht mal wisst, wie toll, ja, wie TOLL es ist, mit einer Frau zu schlafen, müsst ihr es einfach mal tun!!!«
»Na ja«, Gero wehrt mich ab. »Man sollte vielleicht nicht immer alles tun, was andere gut finden. Ich möchte das gar nicht. Ich mag dich als Mensch, aber ich mag nun mal keinen Sex mit dir haben. Du bist meine beste Freundin, für immer und ewig, aber allein … allein die Vorstellung, mit dir … nein. NEIN !!!«
Ich resigniere. In meinem Schlafi. Ich habe Hunger. Jetzt weiß ich, was Leute meinen, die von Ersatzbefriedigung sprechen.
Gero schläft bei mir. Nicht mit mir. Aber Kuscheln und Löffelchenmachen ist ja auch schön. Wenigstens hab ich ihn für mich allein heute Nacht.
Bis halb zwei. Da klingelt nämlich das Telefon. Tom ist dran und furchtbar einsam. Ich will Gero aber nicht gehen lassen. Also kommt Tom zu mir und legt sich zu uns ins Bett. Noch nicht mal ans Fußende. Obwohl er doch mal Sklave war. Die machen das doch. Oder müssen es machen oder wie auch immer. Nein. Ich liege links. Gero und Tom eng umschlungen auf der rechten Betthälfte. Ich hasse mein knatschrosa Schlafzimmer. Zwei Männer, ein Kronleuchter und nichts als schwules Rumgetucke. Ich verdränge die Situation, um nicht wahnsinnig zu werden. Und wer es jetzt noch wagt zu sagen, er hätte KEIN Mitleid mit mir, wird verklagt.
11
Susanne ruft mich Freitagmittag an (ich weiß, ich hätte sie zurückrufen müssen, hab ich aber nicht gemacht. Ich bin schließlich auch nur ein Mensch). Ja, sie habe sich Gedanken gemacht. Ich hätte schließlich zu ihr gesagt, sie müsse sich mal wieder richtig vögeln lassen. Das habe sie sich zu Herzen genommen und am Abend zu Michael gesagt, dass sie gern mal wieder guten Sex hätte. (Oh, oh, nicht nur du, Susanne, nicht nur du.) Michael habe sie nur verständnislos angeschaut und gesagt, dass sie doch alles hätte. (O Mann. Sie hat doch auch alles. Eben nur keinen Sex.) Ob ich sie attraktiv finden würde? Ob ich fände, sie sei zu dick? Ob ich verstehen würde, dass sie heute Morgen in ihrer Verzweiflung einen Callboy angerufen habe? WAAAAAAAAS ????????? Ja, weint sie. Vierhundert Euro habe der haben wollen für einmal Poppen. Und dann habe sie sich den bestellt. In ein Hotel in der Stadtmitte. Yves habe der geheißen. (Nie im Leben hieß der Yves. Wahrscheinlich Heinz oder Torben.) Er habe auch gleich zur
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