Fremd küssen. Roman
singen. Dabei wedelt sie mit ihrem Besen in der Luft herum und tanzt. Das hier hält doch langsam kein normaler Mensch mehr aus. Kann denn nicht mal ein Tag komplikationslos verlaufen? Muss immer irgendwas passieren? Da kommt die Feuerwehr und spannt ein Sprungtuch. Gerade noch rechtzeitig, denn Frau Eichner verliert während des gälischen Tanzes das Gleichgewicht und stürzt kreischend in die Tiefe. Hinter ihr fliegt der Besen. Beide landen im Sprungtuch. Und immer noch kein Ufo in Sicht.
13
Ist es wirklich erst Mittwoch? O mein Gott, noch ganze drei Tage arbeiten. Ich bin so was von gerädert. Aber ich muss in die Redaktion, heute sind ganz wichtige Termine und außerdem gibt es ein Talk-Radio-Seminar, das ein Freund vom Chef hält, der ein begnadeter Radiotalker ist und der extra deswegen aus Berlin angereist kommt. Wir MÜSSEN alle an diesem Seminar teilnehmen.
Ich hasse diese PCs im Funkhaus. Irgendwas ist immer. Ich brauche für nächste Woche einen Dienstwagen und meine Maus spinnt und geht nie aufs richtige Feld. Gleich werfe ich alles in die Ecke. »Wie komm ich denn auf dieses Scheiß-Kfz-Anforderungsformular?«, brülle ich Ina an.
»Ach, das weißt du ja noch gar nicht«, sagt sie. »Die EDV hat das doch alles auf Spracheingabe umgestellt die letzten Tage. Da ist jetzt ein Mikrochip eingebaut im Monitor, der erkennt dich an der Stimme und dann brauchst du keine Maus mehr und kannst alles per Spracheingabe machen!«
Na, das ist ja endlich mal eine Erfindung, die einem das Leben wirklich leichter macht. »Und was muss ich jetzt machen?«, frage ich. »Sag einfach ›Kfz-Formular‹ und schon hast du es auf dem Monitor.«
Ach, Ina ist immer so hilfsbereit. »Kfz-Formular«, sage ich zu meinem Monitor. Nichts passiert.
»Du musst lauter reden«, sagt Ina. Ich sage dreimal laut hintereinander Kfz-Formular, aber es passiert immer noch nichts. Ben kommt in der Zwischenzeit rein und meint, bei IHM würde es funktionieren. Wahrscheinlich funktioniert es bei allen, nur bei mir nicht. Wie immer. »Hm«, meint Ina. »Vielleicht ist das Wort zu lang und du musst einfach nur Auto rufen. Vielleicht haben die das so programmiert.«
Also rufe ich »Auto, Auto, Auto«, dann »Bitte Auto«, dann » ICH WILL EIN AUTO «, zum Schluss schreie ich » ICH MÖCHTE DOCH NUR EIN AUTO HABEN !« in den Monitor hinein. Nichts passiert.
»Weißt du was?«, meint Ina, »du rufst jetzt einfach bei der EDV an. Vielleicht haben die dich vergessen freizuschalten. Sag einfach, du bittest um die Freischaltung für die Spracheingabe bei Word.«
Das ist eine gute Idee. Schnell wähle ich die 5244 . » EDV -Service, guten Tag.« Ich trage mein Anliegen vor. »Wie bitte?«, fragt Herr Montag. Ich sage, dass ich nur um die Freischaltung für die Spracheingabe bei Word bitte, und weise ihn darauf hin, dass ich seit einer Viertelstunde alle Begriffe, die mit Auto zu tun haben, in den PC gebrüllt hätte. Herr Montag holt Luft. »Sie wollen mir jetzt allen Ernstes sagen, dass Sie vor Ihrem Monitor sitzen und ›Auto, bitte Auto‹ schreien?« Ich bejahe. »Das kann ich einfach nicht glauben«, meint Herr Montag. »Auf so was Dämliches fällt ja wohl sonst niemand rein.« Ich schaue zu Ina und Ben. Die beiden fangen in diesem Moment schreiend an zu lachen. Ich hasse sie.
Später, als wir im Gruppenkonvoi in die Kantine zum Mittagessen gehen, laufen wir unglücklicherweise an der EDV -Abteilung vorbei, die schon gegessen hat. Herr Montag deutet mit dem Zeigefinger auf mich und sagt laut: »Das ist sie!« Fünfzehn Augenpaare starren mich an, fünfzehn Menschen fangen an zu grölen. Danke. Danke. Danke.
Freitag. Endlich. Um 18 Uhr treffe ich mich mit Pitbull. Er ist total aufgeregt. Zur Feier des Tages und um einen guten Eindruck zu machen, hat er Dead or alive ein Halstuch umgebunden, das dieser ständig versucht, zwischen die Zähne zu bekommen.
Der Vermieter heißt Jean Parusel und freut sich, uns kennen zu lernen. Das Etablissement befindet sich in der Nähe des Industriegebietes und ist vor Urzeiten für Lkw-Fahrer gebaut worden, die hier essen, trinken und übernachten mussten. Wir betreten das Haus durch die Kneipeneingangstür. »Brummi-Treff« steht in verblassten Lettern an der Hauswand. Der Putz blättert ab. Im Haus selbst stinkt es nach Verwesung. Herr Parusel meint, es täte ihm Leid, dass es so stinke, aber da wäre selbst er machtlos, die Ratten und Hasen und alle möglichen anderen Tiere fänden irgendwie immer
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