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Fremd küssen. Roman

Fremd küssen. Roman

Titel: Fremd küssen. Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steffi von Wolff
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alle ein Loch, um ins Haus zu kommen. Dem Geruch nach zu urteilen, verlieren sie nur leider die Orientierung im Gebäude und verenden irgendwann in der Schankstube oder in einem Waschbecken, die Ratten und Hasen und anderen Tiere. Ich komme mir vor wie bei »Halloween«. Jeden Moment taucht Michael Meyers hinter der Theke auf und geht mit langsamen Schritten auf uns zu, einen Säbel in der Hand. Wir werden vor Schock einfach nur stehen bleiben und dabei zusehen, wie Michael Meyers uns langsam zerstückelt. Niemand wird uns finden, und wenn, wird man uns für verweste Ratten, Hasen oder andere Tiere halten. Vielleicht ist aber auch Herr Parusel ein Mörder, der uns nur hierher gelockt hat, um uns langsam zu lynchen. Herr Parusel hat bestimmt irgendwann
    mal etwas von Fritz Haarmann gelesen und sich dann noch den Film »Der Totmacher« angeschaut und wollte seitdem immer mal Menschen umbringen. Dummer Zufall, dass es nun Pitbull und mich treffen muss. Vielleicht erwürgt uns Herr Parusel, dann kriegen wir vielleicht diesen besonderen Kick wegen der verringerten Sauerstoffzufuhr. Wiederum dumm, dass wir keine Fetischisten sind, die darauf stehen.
    Herr Parusel hebt die Hand. Sehe ich da nicht ein Messer blitzen? Nein, es ist nur seine Armbanduhr. »Tut mir Leid wegen der Spinnweben«, sagt er. »So, und jetzt schauen Sie sich einfach mal in Ruhe um!« Ich hasse das hier. Ich muss Gott danken, dass ich keine Hausstauballergikerin bin, denn dann wäre mein Gesicht jetzt schon blau angelaufen und ich würde keine Luft mehr bekommen.
    Pitbull findet das alles ganz großartig. Den Schankraum, der seit 1439 nicht mehr renoviert wurde, will er zum »gemütlichen Aufenthaltsraum mit Barbereich« umfunktionieren. Mit Sitzgruppen und indirekter Beleuchtung. Ich kann mir das gar nicht vorstellen. Das Einzige, was mir an diesem Raum gefällt, ist der alte Dielenboden. Ansonsten nikotingelber Rauputz an den Wänden, die Bestuhlung besteht aus typischem gut deutschem Wirtshausmobiliar und der Zapfhahn an der Theke ist verrostet. Das einzig Nette ist ein Emailleschild aus den 50 er Jahren, auf dem steht: »Die gute Hausfrau kocht mit Maggi!« Das will ich unbedingt haben! Das kommt in meine Küche. Da fällt mir wieder ein, dass ich ja aus meiner Wohnung ausziehen muss. In drei Monaten bin ich obdachlos. Na ja, ich kann ja dann hier einziehen.
    Es gibt sogar einen Kühlschrank, der aber seit zwanzig Jahren nicht mehr geöffnet wurde. Ich will ihn auch gar nicht öffnen, weil ich Angst habe, dass er lebt. Aus der vergessenen offenen Kondensmilchbüchse werden sich schon Maden herausgewunden haben, diese sind dann irgendwann zu Käfern geworden und die Käfer selbst haben sich gegenseitig aufgefressen. Der stärkste Käfer hat überlebt und passt gerade noch so in den Kühlschrank. Er wartet seit Jahren darauf, dass irgendein Idiot (also ich) den Kühlschrank endlich öffnet, um ihm grüne, eklige, giftige Schleimmasse direkt in die Augen zu spucken. Toiletten gibt es auch. Die Spülung hat ganz offensichtlich noch nie funktioniert. Herr Parusel entschuldigt sich die ganze Zeit für alle Makel. Ich warte nur noch darauf, dass er sich dafür entschuldigt, auf der Welt zu sein.
     
    Zu dem Haus gehört auch ein Keller. Grundgütiger, riecht das modrig. Die Stufen sind so steil und klein, dass man ab Schuhgröße 32 Probleme hat, einen Fuß draufzusetzen, ohne abzurutschen. Es ist ein Gewölbekeller mit Lehmboden und Quadersteinen. Überall befinden sich Balken. Pitbull dreht vor Freude fast durch: »Das wird der SM -Bereich«, frohlockt er. »Komm mal her!« Er zieht mich zu sich und reißt meine Arme hoch. »Siehst du, und so wird die Sklavin dann mit den Händen nach oben an den Balken gefesselt und mittels Flaschenzug hochgezogen. Dann hängt sie da und wird ausgepeitscht.« Ich hoffe nur, dass es sich bei den Balken nicht um tragende Balken handelt, weil sonst nämlich alle Sklavinnen zusammen mit ihren Herren durch das einstürzende Haus für immer verschüttet werden. Wir finden sogar Eisenringe an den Wänden. Weiß der Geier, für was die mal gut waren. Na, da werden die »Doms« sich freuen. Ich stolpere über eine skelettierte Katze.
    Endlich hat sich Pitbull genügend im Keller umgesehen. Jetzt geht es mit dem ersten Stock weiter. Ach du liebe Zeit. Es sind insgesamt sieben Zimmer. Blümchentapeten. Über den leeren Betten jeweils entweder Dürers »Betende Hände« oder ein Madonnenbild. In den Schränken befinden sich

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