Fremd küssen. Roman
daran. Soll ich jetzt Pfötchen geben oder was? Ruth ist jedenfalls hin und weg. »Du wärst eine großartige Sklavin. Stolz und doch beherrschbar«, sagt sie und seufzt. »Aber vielleicht entdeckst du ja irgendwann mal deine devote Ader – dann sag mir bitte rechtzeitig Bescheid. Dich würde ich zu gern mal dominieren!« Sonst noch was? Nein danke. Was, bitte, soll toll daran sein, in einem Käfig zu sitzen und darauf zu warten, dass die
Herrin kommt und einen ans Andreaskreuz bindet, um dann die 23 -Schwänzige zu schwingen? Oder einen zwingt, die Peitschenhiebe mitzuzählen und sich womöglich danach noch für die Erziehung zu bedanken? Neeee, nee, nee.
Was ich will, ist einfach nur mal wieder Sex. Ganz simplen. Beine breit und gut ist. Seit Robert Redford hatte ich noch nicht mal mehr die Chance, irgendwen ins Bett zu kriegen. Noch nicht mal Pitbull, noch nicht mal den. Und Gero erst recht nicht. Alle haben mich abgewiesen. Na ja, kein Wunder, ich altes Weib, ich. Wer will schon gerne mit einer Frau ausgehen, bei der sich jeder fragt, wo sie wohl ihre Stützstrümpfe gelassen hat. Oder ihren Rollstuhl. Der man selbstlos eine Tüte gebrannte Mandeln von der Kirmes mitbringt in der egoistischen Absicht, dass sie sie sowieso mit ihren Dritten nicht mehr beißen kann.
»Also als Sub oder wie das heißt gehe ich auf keinen Fall«, sage ich, während ich in Richards Richtung mit meinem leeren Weinglas wedele. Er steht sofort auf und füllt mir nach. Braver Sklave. »Ich zieh das Zeug hier an, aber glaub bloß nicht, Tom, dass ich da dann irgendwas mache.« Gero schmollt, weil ihn niemand fragt, ob er morgen mitkommen will. Er hat Angst davor, dass irgendein Herr ihm Tom abspenstig machen könnte. Von mir aus kann er schon mitkommen. »Wo ist diese komische Fete überhaupt?«, frage ich in Toms Richtung. »Auf Burg Schreckenstein!«, erklärt dieser stolz. »Die Veranstalter haben die Burg zwei Tage gemietet. Es gibt auch Übernachtungsmöglichkeiten. Und einen Original-Folterkeller aus dem Mittelalter, voll eingerichtet. Man kann alles benutzen!« Tom erzählt das wie ein Schulbub, der aufgeregt ist, weil er auf einen Kindergeburtstag eingeladen worden ist.
»Huh«, meint Iris. Da gäbe es bestimmt Fledermäuse. Da müsste man aufpassen, die flögen einem manchmal ins Haar und krallten sich fest, dann wäre das Haar nicht mehr zu retten. Also gleich wegscheuchen. Gut zu wissen. Ich habe mir bis heute keine Gedanken darüber gemacht, was zu tun ist, wenn eine Fledermaus sich im Haar verfängt. »In dem Folterkeller gibt es sogar Daumenschrauben und große Zangen. Und natürlich eine Streckbank!« Na, das kann ja heiter werden. Was tut man nicht alles, um sich zu informieren. »Ich will mit«, mault Gero.
»Nein!« Tom sagt das ganz bestimmt. »Carolin und ich gehen da morgen alleine hin. Ihr würdet die ganze Zeit nur lachen und rumalbern, da werden die Leute sauer.«
Womit er Recht hat. Ich sehe Pitbull schon durch den Folterkeller laufen und dumme Sprüche reißen, während Herren versuchen, Herr über ihre Sklavinnen zu werden, die mit den Armen nach oben von der Decke baumeln und auf die nächsten zwanzig mit dem Rohrstock warten.
»Hihi!«, sagt Iris. »Da gibt es doch diesen alten SM -Witz!
›Was habt ihr am Wochenende denn gemacht?‹
›Och, so rumgehangen.‹«
Der Wein ist alle und Richard und Ruth holen neuen von der Tanke. Wie gut, dass es die 24 -Stunden-Tanken gibt. Wir machen dann einen Spieleabend. Ich hole das Trivial Pursuit aus dem Schrank.
Ich hasse dieses Spiel, weil es mir immer wieder zeigt, wie doof ich doch bin. Ich weiß nun mal nicht, wann irgendein Politiker in welcher Situation welchen Satz zu welcher Weltlage gesagt hat und warum und was er dabei anhatte.
Pitbull entpuppt sich als ein Ausbund an Allgemeinbildung. Er weiß sogar, WANN sich Vincent van Gogh sein Ohr abgeschnitten hat. Alle Achtung. Nebenbei erzählt er uns, dass Vincent Depressionen hatte. Ich bin nur bei den rosa Fragen gut. Also bei den Unterhaltungsfragen, den trivialen. Ich kann dann auf so Sachen antworten wie: »Welcher Satz wird direkt am Anfang von ›Jenseits von Afrika‹ von Tania Blixen alias Meryl Streep gesagt?« Weiß kein Mensch. Aber ich: »Ich hatte eine Farm in Afrika, am Fuße der Ngong-Berge.« Die anderen schauen mich an, als müsste es mir peinlich sein, so was zu wissen. Offenbar hat man erst Bildung, wenn man ganz bestimmte Sachen nicht weiß. Aber das zu wissen ist doch besser als
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