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Fremd küssen. Roman

Fremd küssen. Roman

Titel: Fremd küssen. Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steffi von Wolff
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sich eine lange Warteschlange gebildet. Wir drängeln uns vor (sind ja schließlich keine Sklaven), weil wir so neugierig sind. Aus dem Kellerraum ertönen schon von weitem laute Schreie. Mir gefriert quasi das Blut in den Adern, als ich den Raum betrete. Auf einer Holzstreckbank liegt eine Frau, die mal einen Meter fünfundsechzig groß war. Jetzt misst sie einen Meter achtundneunzig. Pro gestrecktem Zentimeter kreischt sie um drei Oktaven höher. Ein schwarz gekleideter Mönch hat nichts Besseres zu tun, als ihr Nadeln in die Brüste zu stechen. Pro eingestochener Nadel schreit die Frau: »Danke, Herr, mehr bitte!« Meine Brüste schmerzen aus Solidarität mit. Oben und unten drehen zwei Ersatzmönche an den Streckbankrädern. Schwenk nach rechts: ein Andreaskreuz. Daran gebunden steht ein ungefähr Vierzigjähriger, dem man ein Einfamilienhaus an die Hoden gehängt hat. Eine Domina ist dabei, ihm noch einen kleinen Wintergarten daran zu befestigen. Schwenk in die Mitte: ein weiterer Mann, der an einem Haken von der Decke baumelt. Seine Hände stecken in Handhebefesseln. Drei gesichtslose Wesen peitschen den Mann aus. Bei jedem Schlag baumelt er hin und her. Sein Rücken ist schon so rot wie meine Augen. Er zählt jeden Schlag mit und ruft: »Dreiundneunzig, danke, mehr bitte!« Ich mag gar nicht hinschauen, muss es aber tun, weil die Stimme mir irgendwie bekannt vorkommt. Beim nächsten Schlag dreht er sich so, dass ich sein Gesicht sehen kann. Es ist Michael, Susannes Mann. Ich muss würgen.
    Erst mal was zu trinken. Ich erzähle Tom, dass ich einen Bekannten getroffen habe. Was heißt getroffen, ich hab ihn halt da hängen sehen. Tom findet das gar nicht weiter schlimm, bekennen sich doch immer mehr Menschen zu SM . Ich sehe das anders. Schließlich handelt es sich bei Michael um den Mann meiner besten Freundin, obwohl die mir vor kurzer Zeit die Freundschaft gekündigt hat und sich Playboys auf schmuddelige Hotelzimmer bestellt. In was für Situationen gerate ich nur immer? Tom meint, nach ein paar Gläsern Sekt sähe die Welt ganz anders aus. Ich folge seinem Rat. Gehen will Tom auf gar keinen Fall, die Fete hätte doch noch gar nicht richtig angefangen.
    Ich für meinen Teil bin zumindest bedient. Also lasse ich mich zulaufen und peitsche dann mit ungefähr 16 Promille noch einige Sklaven aus, die ihre Strafe wegen Verfehlungen verdient haben. Hicks, wie sagt man? Danke! Brav. Bin ’ne tolle Domina, hicks, los, du Skkkkklave, aufie Kniiiie. Wirtsbald. Un schön middzählen … So is brafff.
    Zum Glück hat Michael so viele Verfehlungen begangen, dass er den Rest des Abends von der Decke baumeln muss. Er darf mich hier auf keinen Fall sehen. Habe seine eine Domina bestochen, sie hat Verständnis für meine Situation. Was er wohl Susanne erzählt hat, wo er ist? Wahrscheinlich: »O Gott, Schatz, eine Leiche am Bahnhof. Jemand ist von einem Kickboard tödlich verletzt worden, ich muss die Leiche obduzieren, um Fremdverschulden auszuschließen.« Spricht’s und geht auf Burg Schreckenstein. Meine Güte, was für eine Ehe. Ich bin wenigstens normal (Bin ich das, bin ich das??? Ist es normal, bei einem Windelfetischisten um einen Kredit für einen Swingerclub zu bitten? Ist es normal, täglich so viel zu saufen, dass man den Alkohol schon als Grundnahrungsmittel bezeichnen kann? Was ist eigentlich normal? Ich weiß es nicht.).
    Wo ist eigentlich Tom? Ach, kriegt ein Branding da vorn. Muss mal schauen gehen. Hicks. Wassen eigentlich Branding? O Gott! Tom kniet und lässt sich »Norbert, dein Herr und Meister« in die Pobacke einbrennen. Mit einem glühenden Eisen!!! Ob das beim Waschen weggeht? Wrum machtern das? Hicks! Oje, oje. Glaub, muss ins Bett.
     
    Zwei Stunden später sitze ich mit Tom in meiner Küche. Das heißt, ich sitze, Tom steht, weil er nicht sitzen kann (das Branding!). Er heult. Und ich hab immer noch Hunger. Ich habe aber nichts mehr im Kühlschrank. Vielleicht sollte ich in den Ablagefächern suchen. Da findet sich gern mal eine Remouladentube wieder, die das Ablaufdatum von 1980 längst überschritten hat.
    »Was soll ich nur Gero sagen?«, weint er. »Er wird mich umbringen!
    Wenn er das sieht, wenn er das sieht … « Herrje. Wie kann man nur so doof sein wie Tom. Und so besoffen wie ich. Ich WEISS nicht, wie wir überhaupt nach Hause gekommen sind. Diese Scheißcorsage ist so eng, dass ich gleich wahnsinnig werde. Und meinen Mantel hab ich auf der Scheißburg auch verloren. Zum Glück habe

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