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Fremd küssen. Roman

Fremd küssen. Roman

Titel: Fremd küssen. Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steffi von Wolff
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Sekretärin gibt mir das Manuskript zum Einlesen und sagt, der männliche Sprecher käme auch gleich.
    Ich bin ja mal gespannt auf den männlichen Sprecher. Hoffentlich ist es nicht noch mal so ein Rüdiger wie letztens. Das würde ich nämlich so gar nicht aushalten.
    Es klingelt und der männliche Sprecher betritt den Raum. Hossa, hossa! Das nenne ich attraktiv. Breite Schultern, dunkle Haare und wunderschöne Augen. Angezogen wie ein Boss-Model. Ich liebe es, wenn Männer Sakkos tragen. Und die Schuhe sind ganz wichtig. Die Schuhe sind die Visitenkarten eine Mannes. Hätte Mr.Sprecher jetzt Sandalen mit Löchern (gut für den Fuß, der wird dann prima belüftet) an, würde ich ihn keines Blickes mehr würdigen. Oder ganz schlimm: Slippers mit Troddeln dran. Diese Männer fahren entweder einmal im Jahr nach Mallorca (ins Hotel »Zum deutschen Seestern«) oder nach Thailand, dahin aber nicht wegen des Landes an sich. Aber Mr.Sprecher macht Punkte. Ich wette, das sind Lloyd-Schuhe, die er da trägt. Dunkelbraun, geschnürt. Keine schiefen Absätze. Dazu dezente dunkle Socken. Er bekommt auch ein Manuskript, und dann stellt uns Frau Ihlenfeldt, die Sekretärin, einander vor. Sie sagt: »Das ist Carolin Schatz, Ihre Synchronisationspartnerin.« »Ich heiße Marius Waldenhagen«, sagt er lächelnd.
    Allmächtiger, ist das ein MANN ! Ich kann nichts anderes tun, als ihn anzustarren. Mit riesengroßen Pupillen. Bestimmt denkt er, ich hätte die Basedow-Krankheit oder so. Er sieht … er sieht … so was von TOLL aus. Dunkle Haare, wunderwunderschöne Augen, braungrün irgendwie, und ein Mund, an dem ich mich, wäre ich eine Krake, für immer mit meinen Saugnäpfen festsaugen würde. Um es kurz zu machen: Ich glaube, ich habe mich eben gerade in Marius Waldenhagen verliebt. Fühle mich wie siebzehn. Jetzt bloß nicht falsch verhalten, sei du selbst, Caro, und mach nicht gleich irgendwas durch deine Schussligkeit kaputt. Ich atme durch und sage dann, dass wir anfangen können. Hoffentlich hört man durch das Mikro nicht mein Herz klopfen.
    Es macht richtig Spaß, mit ihm zu proben. Erst recht, als wir endlich in der Sprecherkabine sitzen. Der Herr Steiger scheint auch zufrieden zu sein. Selbst ein ziemlich schwieriger Part, als ein Gangbang stattfindet und die blonde Hauptdarstellerin von acht behaarten Männern gleichzeitig beziehungsweise hintereinander gepoppt wird, klappt problemlos. Marius Waldenhagen riecht gut. Ich glaube nicht, dass das Eau de Toilette ist, ich vermute, es ist sein Eigengeruch, wofür er von mir insgeheim wieder Pluspunkte erhält. Ich stelle mir vor, dass er mich fragt, ob ich nach dem Job mit ihm noch irgendwo ein Bier trinken gehe. Wird er aber nicht tun, weil: Männer, die SO aussehen, sind entweder mit Frauen verheiratet, die so attraktiv sind, dass man erblindet, falls sie einem versehentlich ins Blickfeld geraten, oder Männer, die SO aussehen, sind schwul. Oder Priester. Oder beides. Andererseits könnte es natürlich auch sein, dass Marius einen ganz miesen Charakter hat. Geizig ist. Oder herrisch. Oder alles zusammen. Bestimmt schreit er seine Frau an, wenn sie sich Fischstäbchen kauft, ohne ihn vorher zu fragen, ob die Packungsgröße in Ordnung ist. Vielleicht kommt er auch abends nach Hause und brüllt: »Warum hast du die Wasserflecken im Waschbecken nicht ordentlich weggewischt?« Oder er macht seine Frau vor anderen schlecht: »Wenn ich mir deine Oberschenkel so anschaue, weiß ich, warum ich keine Orangen mag.« Männer wie Marius Waldenhagen sollte man einfach vergessen.
     
    Nach drei Stunden sind wir mit der Synchronisation der ersten 20 Minuten fertig. Der Herr Steiger meint, dass wir gut in der Zeit lägen, und freut sich auf den nächsten Termin morgen. Marius und ich verlassen zusammen das Gebäude. Es ist ein herrlicher Frühlingsabend. Die Sonne ist gerade noch zu sehen, es ist angenehm warm und die Vögel zwitschern. Wie schön wäre es jetzt, mit Marius in einen Biergarten zu gehen. Ich würde natürlich keine Rouladen mit Rotkohl und Semmelknödeln bestellen, sondern nur einen Salat ohne Dressing essen und dabei so tun, als ob Salat ohne Dressing für mich die Alltagsnahrung wäre.
    »Schöner Abend, nicht?«, fragt Marius und strahlt mich mit seinen »Damit Sie auch morgen noch kraftvoll zubeißen können«-Zähnen an. Ich schmelze dahin. »Ich mag diese Frühlingsabende«, fährt Marius fort. »Der Sommer hat noch nicht begonnen, aber man kann sich schon darauf

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