Fremd küssen. Roman
voller Grasflecken, die nie mehr rausgingen. Außerdem hatten wir uns abends noch Alex’ Motorrad geliehen und kamen erst am nächsten Tag zurück, ohne sie vorher anzurufen. Ging nicht, weil wir uns heimlich bei Thorsten getroffen hatten, das Telefon stand im Wohnzimmer und die Eltern durften ja nichts mitkriegen. Handys gab es damals noch nicht. Jedenfalls stand ich morgens um 7 Uhr vor Alex’ Tür. Ihr Achtziger-Jahre-Stufenschnitt war völlig zerwühlt, sie war stinkwütend, und mir war das Ganze so peinlich, dass ich nicht wusste, was ich sagen sollte. Schließlich fragte ich nur: »Warst du beim Friseur?«
Mittlerweile hat Alex geheiratet, hat zwei supersüße Kinder und ist sehr glücklich. Was man von anderen Leuten ja nicht gerade behaupten kann. Ich möchte schon wieder heulen, aber es kommen keine Tränen mehr.
17
Am nächsten Mittag rufe ich Alex an. Wir telefonieren nicht oft und sehen uns noch seltener, aber wenn, dann ist es so, als ob überhaupt keine Zeit vergangen wäre.
Alex freut sich, dass ich mich melde. Aber sie ist im Augenblick total im Stress. Tessa hat Ballett und Marwin muss zum Fußball und sie selbst hat heute Abend Elternbeiratssitzung und weiß nicht, wo ihr der Kopf steht. Aber Tessa möchte mich sprechen. Oh. Da bin ich nach zwei Sätzen jedes Mal mit meinem Latein am Ende. Aber ich sage: »Klar, gib sie mir, die kleine Maus!«
»Hallo?«
»Hallo, Tessa, mein Schatz, hier ist Caro!«
»Hallo?«
»Ja, hier ist Caro, Tessa. Hörst du mich nicht?«
»Bist du die Caro mit den CDs und den bunten Büchern?« Sie hat nicht vergessen, dass ich jedes Mal vom Sender CDs mitbringe und ihr ein Benjamin-Blümchen-Buch kaufe.
»Ja, die Caro bin ich.«
»Kommst du uns bald wieder besuchen?«
»Na, klar, wenn deine Mama mal Zeit hat.«
»Bringst du dann CDs mit und ›Benjamin als Wetterelefant‹?«
»Na, klar. Freust du dich denn, wenn ich komme?«
»Ja, wenn du viel mitbringst.«
Ach, ach, ach, die Jugend von heute. »Aber Tessa!«, rufe ich. »Du musst dich doch auch freuen, wenn ich einfach nur komme und nichts mitbringe!«
» NEIN !«
»Aber wenn ich … «
» NEIN !«
»Na gut«, höre ich mich sagen. »Ich bringe ganz viel mit.«
»Sing mit mir das Lied!«
O nein. Das Benjamin-Blümchen-Lied. Tessa liebt es. Ich habe den Fehler gemacht, ihr einmal vorzuschlagen, es gemeinsam auswendig zu lernen, als sie mich für ein Wochenende besucht hat. Seitdem verlangt sie IMMER , dass wir es zusammen singen. Na gut. Wir fangen an:
»Auf ’ner schönen grünen Wiese steht ein großer grauer Berg, streckt die Beine in den Himmel, neben ihm, da steht ein Zwerg.
Nein, der Zwerg, das ist ja Otto und der Berg ein Elefant, der ist freundlich und kann sprechen und ist überall bekannt, und liegt gerne in der Sonne, um ihn rum da schwirren Bienchen … « Pause. Dann der Elefant ganz erstaunt: »Na, das bin ja ich! Benjamin Blümchen!«
Und dann so laut, dass der Telefonhörer fast explodiert: » TÖRÖÖÖÖÖÖÖÖÖÖ !!!«
Tessa ist zufrieden und legt das Telefon weg. Ich rufe eine Viertelstunde lang »Hallo, hallo?«, bis Alex endlich begreift, dass ich noch dran bin. »Ach, ist sie nicht süß?«, fragt sie. »Und wie geht es dir so?«
Was soll ich jetzt sagen? Es gibt zwei Möglichkeiten:
Es geht mir prima. Ich bin mit einem Transvestiten befreundet und habe einen Typen getroffen, der sich Pitbull Panther nennt und auch so aussieht, und werde mit ihm einen Swingerclub eröffnen. Mein letzter One-Night-Stand war Megascheiße und ich hatte ein peinliches Interview mit den »Geladenen Bettnässern«. Außerdem synchronisiere ich einen Porno und habe dabei einen Mann kennen gelernt. Ich fand ihn toll, musste aber leider feststellen, dass er was mit Susanne hat, und die steht seit neuestem auf Callboys, weil ihr Mann nicht mehr mit ihr schlafen will und sich lieber auf Sadomasofeten auspeitschen lässt.
Ach, immer so weiter. Nichts Besonderes.
Dreimal dürfen Sie raten, was ich antworte.
Alex fragt, ob ich die Kinder am übernächsten Wochenende nehmen kann, weil sie mit Markus auf die Hochzeit eines Arbeitskollegen gehen möchte. Oje, beide Kinder. Ich sage nicht gleich ja, sondern verspreche, bis Ende der Woche Bescheid zu geben.
Dann rufe ich bei »NewStyle« an. Die Frau Ihlenfeldt fragt ganz besorgt, was denn los sei mit dem Herrn Waldenhagen und mir. Gott, ein Disput! Aber das sei natürlich kein Problem. Gewiss könne man die Stimmen auch einzeln aufnehmen.
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