Fremd küssen. Roman
Telefonanlage zusammenbricht. Sie erzählt stolz, wie sie den Weg nach oben geschafft hat und dass tägliches Fitnesstraining einfach zum Leben dazugehört. Dann sagt sie on air: »Wenn dein Kind da ist, musst du auch unbedingt wieder damit anfangen.«
Aber sonst ist es wirklich nett. Nur die Kondome können wir nicht verlosen, weil tatsächlich niemand anruft. Habe ich das nicht gleich gesagt? Aber bitte. Aber bitte.
» LUST voll« ist um Mitternacht zu Ende und ich verlasse ziemlich aufgekratzt mit Weena Geilt und den beiden Transsexuellen das Funkhaus. Schöner Sommerabend. Herrlich. Noch schöner wäre es, ihn mit dem Mann zu verbringen, den man liebt. Natürlich nicht mit einem Arsch namens Marius Waldenhagen.
»Guten Abend, Caro!«
Nein!
»Guten Abend«, sagen Weena Geilt und die Transsexuellen.
Wo ist mein Auto? Die Schlüssel?
Marius hält mich am Arm fest. »Bitte, Carolin, du hörst mir jetzt zu!« Ich schüttle den Arm ab. »Ich hör dir gar nicht zu, Marius«, sage ich. »Du willst mir alles erklären, es ist nicht das, wonach es aussieht, und überhaupt ist eigentlich alles ganz toll. Ich werde dir jetzt was sagen: Hau ab! Ich habe keine Lust auf diese Verarscherei. Spiel deine Spiele mit Susanne oder wem auch immer, aber NICHT MIT MIR !«
Woraufhin ich mir die Ohren zuhalte und in Richtung Parkplatz jogge, dicht gefolgt von Weena und den beiden anderen. Marius rennt mir hinterher. Er brüllt: »Du gibst mir ja gar keine Chance. Du lässt mich ja nicht mal ausreden! Das hab ich nicht verdient!«
Ich drehe mich um. Jetzt bin ich wirklich sauer und fuchtele ihm mit der Hand vor dem Gesicht herum. »Das hast du nicht verdient? Was denn? Dass ich es nicht akzeptiere, dass du meine beste Freundin bumst und dafür … und dafür … (meine Stimme versagt, gleich wird sie kippen, gleich … ) … AUCH NOCH GELD NIMMST ? DU BE - SCHISSENER PLAYBOY !« Meine Begleiterinnen weichen drei Schritte zurück.
» WAS ?«, brüllt Marius. »Sag mal, spinnst du? Du verhältst dich wie ein kleines, trotziges Kind. Glaubst du, ich würde von Susanne Geld fürs Vögeln nehmen?«
» DAS WIRD JA IMMER BESSER !!! Du vögelst sie also UMSONST ?« Da ist ja mein Auto! Gott sei’s gedankt. Schnell schiebe ich die anderen auf den Rücksitz.
»Ich würde viel lieber mit dir vögeln, Carolin!«, kreischt Marius. »Aber du machst ja alles kaputt mit deiner Scheißart. Mit deinem Selbstmitleid. Du lässt mich ja noch nicht mal was sagen. Du führst dich auf wie Klein Doofi!«
Ich drehe mich um und will ihm eine knallen, verfehle aber sein Gesicht, und er hält mich an den Händen fest. Weena und Ginger-Lou steigen aus dem Auto und eilen mir zu Hilfe. Ein Handgemenge beginnt auf dem Parkplatz. Ginger-Lou muss Karatekurse belegt haben ohne Ende, denn sie schleudert Marius durch die Gegend. Unterdessen steige ich wieder in mein Auto, warte, bis Ginger-Lou und Weena fertig sind, und fahre dann los. Marius bleibt auf dem Parkplatz zurück wie ein begossener Pudel.
»Das war ja wie im ›Tatort‹«, sind sich alle einig. Mir tut jeder Knochen weh. Ich bin schließlich kein Schimanski. Hoffentlich hat uns keiner gesehen. Ich setze meine Insassinnen am Bahnhof ab und fahre frustriert nach Hause. Im Autoradio läuft Enrique Iglesias’ Song: »I can be your hero, baby … « Das bringt mich auf Suizidgedanken, die ich zum Glück überlebe.
21
Am Samstag schlafe ich aus und beschließe nach einem wirklich nicht üppigen Frühstück, zum Happy-Sun-Sonnenstudio zu gehen, um Zoe Hartenstein zu fragen, ob sie nicht jemanden kennt, der in unserem Club arbeiten will. Sie freut sich riesig, mich zu sehen. Ich erkenne sie nicht gleich, weil ich im ersten Moment denke, das Studio wäre von einem Massai übernommen worden. Ihre Haut hat außer den Falten nichts Europäisches mehr an sich. Eine übergewichtige Frau sitzt gefesselt in einem Stuhl und schwitzt, offenbar möchte sie ihr Gewicht reduzieren. Sie starrt mich wortlos an, in ihrem Damenbart sammeln sich die Schweißperlen. Vielleicht darf sie nicht sprechen, weil sie dann wieder zunimmt.
Zoe meint, dass wir unser Wiedersehen mit einem kleinen Schnäpschen feiern müssen. Dann erzählt sie mir, dass Chantal Döppler sich über mich beschwert hätte. Ich sei aus dem Kurs raus und einfach nicht mehr wiedergekommen. Chantal lässt mir ausrichten, dass ich emotional zugrunde gehen werde, wenn ich nichts gegen mein mangelndes Selbstbewusstsein unternehme. Ich bin allerdings
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