Fremd küssen. Roman
ihr.«
»Hast du denn nicht mal versucht, mit Susanne darüber zu sprechen?«, frage ich. »Ich meine, vielleicht mag sie es ja
auch
.« Michael lacht böse. »Mit Susanne kann ich schon lange nicht mehr sprechen. Nur, wenn es darum geht, wie viel Paar Schuhe sie sich gekauft hat. Dann ist sie immer lieb zu mir, nur damit ich nichts sage.« »Und sexuell – nichts mehr?« (Das ist wieder gemein, ich kenne die Antwort ja … )
»Einmal«, sagt Michael, »kam sie abends an und meinte aggressiv, ihr würde was fehlen, ich wüsste schon, was. Ich wusste aber nicht, was sie meinte, und sagte nur, sie hätte doch alles. Sie ist beleidigt abgezischt. Erst hinterher kam mir der Gedanke, dass sie vielleicht mit mir schlafen wollte. Ich bin ihr hinterhergelaufen, aber sie hatte sich im Schlafzimmer eingeschlossen. Seitdem verhält sie sich so merkwürdig.«
Natürlich. Ein Verhältnis mit einem Callboy namens Marius Waldenhagen muss man ja auch geheim halten. Am liebsten würde ich den Bistrotisch umschmeißen, an dem wir sitzen.
»Bitte, Caro, rede doch mal mit Susanne. Frag sie doch mal, was los ist. Ich kann bald nicht mehr. Wenn wir wieder normal miteinander umgehen würden, dann könnte ich ihr auch vielleicht alles erzählen. Aber so macht mich das alles nur verrückt.«
Michael tut mir schrecklich Leid. Also verspreche ich ihm, mir etwas zu überlegen und ihn wieder anzurufen.
Abends ist Renovierungsbesichtigung in der Erichstraße. Ich traue meinen Augen kaum, als ich hinter Pitbull durch die Tür gehe. Hier ist es ja plötzlich richtig hell. Das kommt daher, erklärt uns ein staubiger, farbenbekleckster Richard, dass bereits einige Wände eingerissen wurden und man das ganze dunkle Mobiliar rausgeworfen hat. Ich bin richtig begeistert. »In drei Wochen steht der Schuppen!«, brüllt Richard und öffnet eine Bierdose so, dass es zischt.
»So ein Quatsch!« Ich bekomme Angst. So schnell soll das doch gar nicht gehen. Niemand weiß Bescheid. »Wir brauchen eine viel längere Vorlaufzeit bei der Presse und wir haben noch nicht mal Personal!« »Also, Caro, wirklich!«, meint Pitbull. »Könntest du dich bitte jetzt mal darum kümmern? Irgendwas kannst du schließlich auch mal machen!«
»Wie denn?« Ich bin sauer. »Ich hab genug damit zu tun, mir eine Wohnung zu suchen! Wie ihr alle wisst, bin ich demnächst obdachlos!«
»Du brauchst keine Wohnung!«, bestimmt Pitbull. »Du kannst bei mir wohnen! Um solche Kleinigkeiten können wir uns im Moment nicht kümmern.«
»Du kannst auch bei mir wohnen«, meint Richard.
Mist. »Und meine Möbel?«
»Die werden hier eingelagert. Im Keller ist noch Platz genug.«
Noch mal Mist. »Ich will aber nicht«, sage ich trotzig.
»Darum geht es jetzt nicht«, ruft Pitbull. »Das hier ist unser Lebenswerk und es ist einfach wichtiger!«
Darauf fällt mir nichts Adäquates mehr ein. »Und wo, bitte, soll ich schlafen?« Das meine ich im Ernst. Etwa bei Lola im Terrarium oder bei Pitbull im Bett? Er schnarcht so furchtbar.
»Ach, Schatz, du schläfst in meinem Bett und ich leg mich auf die Couch. Ist doch kein Problem.«
Ich wittere eine klitzekleine Chance. »Was ist, wenn du plötzlich Gelüste sexueller Art bekommst?« Ha, jetzt hab ich ihn.
»Na, dann ruf ich Ricarda an. Oder Tabea. Irgendeine wird schon Zeit haben!«
Das beleidigt mich zutiefst. Er würde also noch nicht einmal daran
denken
, mit mir Sex zu haben, obwohl ich ein Zimmer weiter in seinem Bett liege! »Du findest mich also sexuell unattraktiv!«, rufe ich verletzt. »Du würdest also nicht zu mir kommen, wenn du Lust hast zu poppen. Also wirklich, Pitbull, ich möchte mal wissen, was du von mir hältst!«
Pitbull dreht sich um und lächelt. Dann kommt er auf mich zu und streicht mir übers Haar. »Doch, du Schatz, mein Schatz«, sagt er leise. »Ich hab schon mal dran gedacht. Und halten tu ich von dir ’ne ganze Menge. Deswegen wird es nicht passieren. Weil du nämlich meine
Freundin bist und viel zu wertvoll, um das durch das eine kaputtzumachen.«
Dann dreht er sich um und stiefelt mit Richard in den Keller, um zu sehen, wo da der Schwamm ist.
Ich bin so überwältigt von seinen Worten, dass ich mich erst mal auf einen kackbraunen Wirtshausstuhl niederlassen muss. Dumm ist nur, dass der da nicht mehr steht. Er ist mit dem ganzen anderen Mobiliar heute Morgen in einen Container gewandert. Deswegen lande ich auf meinem Steißbein im Dreck. Vielleicht hab ich’s ja verdient.
Wir machen uns
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