Fremd küssen. Roman
aufgrund der Tatsache, dass die Straßenbahn zu spät anhält und ich zu schnell für seine schwachen Beine bin, einem Herzanfall erliegt. Oder wir sitzen wie in »Dornenvögel« auf der Farm »Drogheda«, er zum Priester mutiert, ich mein Leben lang unglücklich gewesen, und während er mir sagt, dass er immer nur mich geliebt hat und auch nicht damit fertig wird, dass er einen Sohn (Sie erinnern sich, Dane hieß der, ist in Griechenland ertrunken, eine Unterströmung war schuld, in die er geriet, als er eine Frau und eine Luftmatratze retten wollte) mit mir hat. Ich knie vor ihm, er stirbt an Herzversagen und aus seiner Hand fällt die gepresste Rose, die ich ihm vor fünfzig Jahren geschenkt habe. Mein einziger Trost ist, dass Susanne Marius bestimmt keine Rose zum Aufbewahren schenkt. Sie hasst Trockenblumen, weil das Staubfänger sind. Ist ja auch unwichtig – es wird sowieso nicht so sein. Sicher hat Marius mich mittlerweile vergessen und sitzt mit Susanne in einem gemütlichen Restaurant und beide geilen sich verbal für die kommende Nacht auf.
Mit Wut im Bauch schlafe ich ein.
Ich will nach dem Film eigentlich nach Hause. Habe Kopfweh und bin launisch. Aber Pitbull zwingt mich, noch mit zum »Schorsch« zu kommen. Alle wären da. Ich nehme mir vor, nur Mineralwasser zu trinken, bestelle aber aus Gewohnheit automatisch Wein. Auch egal.
Pinki behauptet, ich sähe gut aus, was hundertprozentig an den hundert Bier liegt, die er schon intus hat. Er fragt, wie weit wir mit der Renovierung wären und ob denn alles voranginge. Woraufhin Pitbull natürlich wieder in seinem Element ist.
Um Mitternacht eskaliert die Situation. Gero, Tom und Richard stürmen zur Tür herein und lassen Sektkorken knallen. Was ist denn hier los??? Plötzlich fangen alle an zu singen: »Happy birthday to you, happy birthday to you, happy birthday, liebe Caro, happy birthday to you!« Ich nehme im ersten Moment an, dass noch eine Caro hier ist, die Geburtstag hat, aber dann wird mir klar, dass ich immer am 1 .Mai Geburtstag habe.
Es ist also so weit. Ich habe meinen eigenen Geburtstag vergessen. Zum Glück bin ich die Einzige. Gut, dass man Freunde hat, die einen an ein solches Datum erinnern. Wenn man in die Jahre kommt, lässt bekanntlich das Gedächtnis nach.
Richard hat das praktischste Geschenk von allen. Er schenkt mir Umzugskartons, so brauche ich mir keine zu kaufen.
Wir feiern bis morgens um fünf. Ich habe zwar jetzt wieder drei Falten mehr und gelbe Augen (haben das nicht alle Alkoholiker?), aber mir geht’s wunderprächtig. Jetzt bitte nicht von Marius reden.
Was er wohl macht. Wo er wohl ist? Ob er an mich denkt? Ich komme auf den irrwitzigen Gedanken, bei der Auskunft anzurufen, nach seiner Adresse zu fragen und einfach hinzufahren. Während ich darüber nachdenke, wähle ich schon die 11833 .
Gero, Tom, Richard, Iris und ich stehen dann morgens um halb sechs vor Marius’ Haus. Über das Klingelschild kleben wir einen Streifen Packband, auf dem steht: »Marius Waldenhagen. Callboy. Günstige Preise. Stundenservice. Einfach klingeln.« Danach geht’s mir besser. Will nicht alleine schlafen und gehe mit zu Tom und Gero. Habe total vergessen, dass mein Geburtstag ja auch immer Maifeiertag ist. Das heißt ausschlafen. Jubiduuu!
22
Tom macht am nächsten Morgen Frühstück. Aber was für ein Frühstück! Es gibt a) nichts Schöneres, als mit guten Freunden zu frühstücken, und b) muss es ein ganz üppiges Frühstück sein. Der Tisch biegt sich fast unter den Leckereien. Frisch gepresster Orangensaft, Rührei mit Schinken, Lachs mit Senfsoße, tausend verschiedene Brötchensorten, die Tom extra beim Sonntagsbäcker gekauft hat, Müsli und, und, und. Herrlich. Die beiden haben in der Küche einen Fernsehapparat, was ich ganz wunderbar finde, so können wir »Die Trapp-Familie in Amerika« schauen und darüber reden, wie schön das Leben in den fünfziger Jahren doch gewesen sein muss. Am allerschönsten sind ja immer noch die »Immenhof«-Filme. Dieses alte Gutshaus mit den Sprossenfenstern und den tollen alten Möbeln und Margarethe Haagen als Oma und Dick und Dalli und die Ponys. Und der herrliche Plöner See. Als ich mal in der Gegend war, MUSSTE ich mir den Plöner See anschauen und war auch in Malente-Gremsmühlen und habe das Gutshaus gesucht, aber leider nicht gefunden. Dafür habe ich mir dann in Plön Zitronenöl für meine trockenen Kniekehlen gekauft. War auch nett.
Wir bleiben bis mittags im
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