Fremde
Tieres hatte man aufrecht über dem rechten Balken angebunden. Vorwurfsvoll blickte es mit blinden, weisen Augen in die Welt. Blut war in den hellen Stein gedrungen und befleckte den Schnee um den Fuß des Kreuzes.
Farber starrte das Kreuz entsetzt an.
Die cianischen Männer beobachteten ihn eingehend. Ihre Gesichter waren zu entsetzlichen Grimassen mit glitzernden Fangzähnen verzerrt. Die Hände waren blutverschmiert.
Farber ging auf sie zu, wobei er den Drang unterdrücken mußte, lieber fortzulaufen. Diese groteske rituelle Miene war bei den Cian ein Zeichen für Freude und Vergnügen – wenn es auch eine zu wenig expressive Rasse war, als daß man diesen Ausdruck oft in der Öffentlichkeit sehen konnte. Das terranische Äquivalent dazu wäre gewesen, in die Luft zu springen und in unbeherrschter Freude zu schreien. Ich habe keine Ahnung, um was es hier geht, dachte Farber dumpf. Trotz der Kälte waren seine Gedanken immer noch nicht klar geworden. Seine Füße mahlten den Schnee, sanken bei jedem Schritt bis zum Knöchel ein. Das gleißende Sonnenlicht blendete seine Augen und verursachte ihm Kopfschmerzen. Ihm wurde übel durch das glasige Starren des toten Tieres und von dem Blut, das bereits in zähen, glitzernden Streifen zu frieren begann. Er blieb stehen, zwinkerte, verdutzt, zitternd. Was soll ich denn jetzt sagen, fragte er sich.
»Alle guten Wünsche«, sagte der eine Cian und ersparte Farber die Mühe, die Unterhaltung zu beginnen. »Ihr seid eins mit den Wesen des Lebens, Denen-die-unsere-neue-Erde-regieren. Möge ihr Strahlen Euch erfüllen und Eure Träume wärmen.«
Er schwieg.
»Danke«, sagte Farber.
»Ihr seid ein Gefäß für Ihr Loch«, fiel der andere Cian ein. »Durch euch zersplittert es in tausend warme Farben. Ihr helft, die Strahlung am Ort der sich wendenden Stille zu harmonisieren, jenem reglosen, unbewegten Zentrum.«
Farber suchte nach der entsprechenden Antwort. »Euer Licht erhellt meine Finsternis«, entgegnete er.
»Në, das hat keine Bedeutung«, antwortete der Cian. Dann, weniger förmlich: »Keine Verpflichtung. Es macht Vergnügen, Euch von Eurem Glück zu informieren.«
»Sal« warf der andere begeistert ein. »Das ist ein großer Augenblick für Euch. Meine Seele klingt mit in Sympathie.«
Sie knurrten ihn fröhlich an.
»Ich verstehe nicht«, hatte Farber sagen wollen, aber er sagte es nicht.
Zu diesem Zeitpunkt hatte die Zeremonie einige von Farbers Nachbarn von oberhalb und unterhalb der Row angelockt. Sie sammelten sich um ihn, fünf oder sechs weitere cianische Männer, und fügten ihre höflichen Lobpreisungen und Glückwünsche denen der beiden Abgesandten zu. Man vernahm leises Murmeln und Fingerschnippen, welches Applaus bedeutete. Jemand holte eine Glasflasche mit dem einheimischen Schnaps hervor, und sie wanderte von Hand zu Hand. Wenn ihre soziale Struktur ein Auf-den-Rücken-schlagen beinhaltet hätte, hätten sie auch dies getan.
Farber sah das Licht, verspätet, ungefähr um diese Zeit.
Verwundert stand er auf der fremden Straße und trank mit seinen Gratulanten; auf beiden Seiten erhoben sich die eisbedeckten, lotrechten schwarzen Hauswände, über ihm ein schmaler Streifen Himmel, wie ein kalter blauschwarzer Fluß, der über die Welt dahinströmte.
Ein Wind kam auf und zerzauste das Fell des toten Tieres, ließ den Kopf vermeintlich deutlich grimmig nicken. Auf der Säule befand sich eine Inschrift, die Farber nicht übersetzen konnte. Er merkte sie sich für Ferris semantischen Computer.
Und nach einer Weile entfernten sie sich respektvoll und ließen ihn allein.
Liraun kam etwa eine Stunde später heim. Sie trug keine Farbe, und ihre Haut sah frisch und sauber aus. Sie trug ein langes hellgrünes Gewand, mit gelben und orangenen Mustern bestickt, aber mit ernstem Schwarz gesäumt. Darunter war sie offensichtlich! nackt. Man hatte ihr langes Haar aufgesteckt und mit silbernen und Obsidian-Nadeln befestigt. Der fanatische Gesichtsausdruck, den sie in den letzten Tagen an den Tag gelegt hatte, war verschwunden. Sie wirkte ruhig und glücklich. Auch schien sie, als sie im Türeingang stehenblieb und ihn anstarrte, ein vollständig erregtes und erotisches Wesen zu sein, fast wild, als sei sie ein läufiges weibliches Tier. Er spürte die Hitze, die von ihr ausströmte, und nahm den heißen Moschusduft ihres Körpers wahr. Er traf ihn wie eine Welle, trocknete ihm die Mundhöhle aus und ließ ihn die Schenkel verspannen.
Sie starrte ihn
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