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Fremde

Fremde

Titel: Fremde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gardner R. Dozois
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körperliche Arbeit ankam, und das Tag für Tag. Zu seiner Schande fand er die Arbeit erstaunlich hart. Die erste Woche verschwamm in Müdigkeit, war ein Alptraum, durch den er wie ein bleigliedriger Automat stolperte. Er war um mehr als einen Kopf größer als die größten der cianischen Arbeiter und konnte schwerer heben als sie, aber ihre Belastbarkeit war unglaublich. Jeder einzelne von ihnen stellte ihn in den Schatten und arbeitete leicht und locker weiter, wenn er schon erschöpft zusammensackte und niedergeschlagen in der arktischen Luft herumkeuchte. Er war stärker als sie, aber er hatte nicht ihre Ausdauer, und das allein zählte.
    Anstatt ihn zu verspotten, waren seine Arbeitskollegen freundlich und ermutigend zu ihm, waren mitleidig, ohne herablassend zu sein. Sie erteilten ihm Ratschläge für die Arbeit bei kaltem Wetter und gaben Tips, wie man am besten schwere Güter auslud.
    Grimmig folgte Farber ihnen.
    Wochen vergingen, und allmählich gewöhnte sich Farber an seinen Job. Er gewöhnte sich an die Schnelligkeit, und die Arbeit fiel ihm leichter. Er verbrannte sein überschüssiges Fett und wurde schlanker als er jemals zuvor gewesen war – eigentlich war er schon fast mager zu nennen. Aber das Fleisch, das an ihm blieb, war zäh, fest und hart wie Eisen. Er war niemals gesünder gewesen.
    Und er war auch glücklicher als jemals zuvor nach dem Verlassen der Erde, wenn er auch lange Zeit benötigte, dies zu bemerken. Zunächst betrachtete Farber seinen Job als rauhe, degradierende Notwendigkeit, aber langsam versöhnte er sich damit und bezog nun einen Gutteil Befriedigung daraus. Es war harte, ehrliche Arbeit, die ihn an Sonne und frische Luft brachte – wichtiger aber war, wenn er dies auch nie verbalisierte, daß er sie mit seinen eigenen Händen bewältigen konnte, gewissermaßen Ordnung in das Chaos schnitt. Die Arbeit gab ihm das Gefühl, er könne sein Schicksal in die Hand nehmen, und diese Sicherheit – ob Illusion oder nicht – tötete einiges von der Panik darüber ab, daß er in einer Umgebung lebte, die er nicht begriff. Zum ersten Male hörte er auf, gegen Weinunnach anzukämpfen. Auch begann er überhaupt erst jetzt, den Planeten als Weinunnach zu akzeptieren, anstatt im Geist auf »Lisle« zu bestehen. Ein Großteil der Spannung verließ ihn, als er dies tat, als habe er eine Last abgesetzt, von der er gar nicht gespürt hatte, daß er sie trug. Er betrachtete seine Arbeitskollegen nicht mehr als fremde Gestalten und knüpfte auch Freundschaften mit ihnen an. Es war eine entspannte, freundliche Clique – wenn auch Shasine ein deutlich definiertes Kastensystem kannte, so hatte man doch nicht das Gefühl eines ausgeprägten Klassenbewußtseins bei einem individuellen Cian, wie man es bei einem Engländer oder Hindu kennt. Körperliche Arbeit war hier keine verachtete, niedere Angelegenheit wie auf der Erde; überwiegend ging nicht mehr oder weniger Prestige damit einher als bei allen anderen Berufen. Daher stammte der Gleichmut der Arbeiter, die keinen Grund hatten, sich irgend jemandem in ihrer Gesellschaft unterlegen zu fühlen. Farber kam mit ihnen besser aus als mit den Tausend Familien oder den düsteren Schattenmännern, den Aristokraten wie Jacawen. Er merkte, wie er der täglichen Arbeit froh entgegensah.
    Er war zufrieden, das wurde ihm klar.
    Auch Liraun schien glücklicher zu sein, wenn auch immer noch ein Hauch von Traurigkeit sie umfing. Viel von ihrer unerklärlichen Unzufriedenheit und Wildheit war verschwunden oder war zumindest zu Asche heruntergebrannt. Sie hatte die Rolle akzeptiert – oder hatte sie einfach resigniert? –, die sie zu spielen hatte. Damit ging eine neue Ernsthaftigkeit einher. Ihre Ehe war eine normale Sache geworden. Sie gingen entspannter miteinander um und wurden toleranter. Liraun war mit ihren Pflichten beim Rat vollauf beschäftigt, aber nicht so sehr, daß sie nicht viel Zeit mit ihrem Mann verbringen konnte. In den ersten Monaten der Schwangerschaft liehen sie sich oft Reittiere und eine Meute Hunde von Lirauns Vater aus – lange, schlanke Fleischfresser, die irgendwie wie riesige Spottmäuse aussahen, aber nicht so hinterhältig waren – und gingen in den großen Salzsümpfen südlich von Aei auf die Jagd. Nur selten fingen sie etwas, aber es machte ausreichend Spaß, durch das weite Marschland zu reiten, wenn die Luft schneidend kalt war und der Himmel blendend und sie das klagende Muhen ihrer schlangenartigen Reittiere und das

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