Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Fremde Blicke

Fremde Blicke

Titel: Fremde Blicke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Fossum
Vom Netzwerk:
Die Tür wurde geöffnet, von einem Kontrolleur in schwarzer Uniform und mit einer Zange in der Hand, der allen, die vor ihn traten, ins Gesicht schaute; die meisten schlugen die Augen nieder, denn die meisten waren unter der Altersgrenze für diesen Film. Einen James-Bond-Film. Den allerersten, den sie zusammen sahen, sie gingen zum erstenmal miteinander aus, fast wie ein richtiges Liebespaar. Er schwoll vor Stolz an. Und es war ein guter Film, das fand jedenfalls Annie. Er selber hatte nicht viel mitbekommen, er hatte sie die ganze Zeit aus dem Augenwinkel angestarrt und im Dunkeln auf ihre Geräusche gehorcht. Aber er konnte sich an den Titel erinnern: For your eyes only.
    Das schrieb er in das dunkle Feld und wartete kurz, aber es passierte nichts. Wütend sprang er auf, lief einige Schritte hin und her, riß den Deckel von einem Topf auf dem Fensterbrett, in dem er eine Tüte Lakritze verstaut hatte. Das alles hatte doch keinen Sinn! Plötzlich verbannte er sein schlechtes Gewissen weit in seinen Hinterkopf. Dort hatte er einen geheimen Raum, in dem schon etwas aufbewahrt wurde. Halvor war nicht mehr zu bremsen, er lief durch die Küche ins Wohnzimmer zum Bücherregal, wo das Telefon stand, suchte im Telefonbuch nach Computerfirmen, fand eine Nummer und wählte sie.
    »Ra Computer. Solveig am Apparat.«
    »Also es geht um eine gesicherte Datei«, stotterte Halvor. Sein Mut verließ ihn, er kam sich klein vor wie ein Dieb und Spanner. Aber es gab kein Zurück mehr.
    »Sie kommen nicht rein?«
    »Ah, nein. Ich habe den Code verkramt.«
    »Ich fürchte, der zuständige Kollege hat schon Feierabend gemacht. Aber bleiben Sie am Apparat, ich frage mal nach.«
    Halvor preßte den Hörer so fest gegen seine Wange, daß ihm das Ohrläppchen weh tat. Er hörte Stimmengewirr und klingelnde Telefone, schaute zu seiner Großmutter hinüber, die mit einem Vergrößerungsglas Zeitung las, und dachte, das hätte Annie sehen sollen.
    »Sind Sie noch da?«
    »Ja.«
    »Wohnen Sie weit weg?«
    »In der Lundebysvinge.«
    »Da haben Sie Glück. Er kommt auf dem Heimweg bei Ihnen vorbei. Bitte nennen Sie mir Ihre genaue Adresse.«
    Danach saß er in seinem Zimmer und wartete, sein Herz hämmerte. Er hatte die Vorhänge geöffnet, damit er das Auto sofort sah, wenn es in den Hof einbog. Es dauerte genau dreißig Minuten, dann erschien ein weißer Kadett mit dem Firmenlogo von Ra Computer auf der Tür. Ein überraschend junger Typ stieg aus und blickte unsicher zum Haus herüber.
    Halvor stürzte zur Tür. Der junge Computerspezialist schien sympathisch zu sein, er war rundlich wie ein Schmalzkringel und hatte tiefe Lachgrübchen. Halvor bedankte sich bei ihm für die Umstände. Zusammen gingen sie in sein Zimmer. Der Computerspezialist öffnete seinen Diplomatenkoffer und zog einen Stapel Tabellen heraus. »Ziffern- oder Buchstabencode?« fragte er.
    Halvor lief knallrot an.
    »Wissen Sie nicht einmal das?« fragte der andere überrascht.
    »Ich hatte so viele verschiedene«, murmelte Halvor. »Ich hab sie unterwegs ausgetauscht.«
    »Um welche Datei geht es?«
    »Die da.«
    »>Annie    Er stellte keine weiteren Fragen. Bei seinem Job war Diskretion gefragt, und er besaß großen Ehrgeiz. Halvor ging ans Fenster und blieb dort mit glühenden Wangen stehen, eine Mischung aus Scham und Nervosität erfüllte ihn, und sein Herz hämmerte laut wie ein Trommelwirbel. Hinter sich hörte er, wie die Tastatur so heftig bearbeitet wurde, daß es wie Kastagnetten klang. Außer Trommelwirbel und Kastagnetten war nichts zu hören. Nach einer Weile, die Halvor wie eine Ewigkeit vorkam, erhob der andere sich.
    »Das wär’s, Kumpel.«
    Halvor drehte sich um und starrte den Bildschirm an. Nahm den Block entgegen, um die Auftragsbestätigung zu unterschreiben.
    »Siebenhundertfünfzig Kronen?« keuchte er.
    »Pro angebrochene Stunde.« Der andere lächelte.
    Mit zitternden Händen unterschrieb Halvor auf der gepunkteten Linie unten auf dem Block und bat darum, die Rechnung per Postanweisung bezahlen zu dürfen.
    »Es war ein Zifferncode.« Der Experte lächelte wieder. »Null-sieben-elf-neun-vier. Datum und Jahreszahl, nehme ich an.« Die Lachgrübchen vertieften sich. »Aber offenbar nicht Ihr Geburtsdatum. Dann wären Sie ja erst acht Monate alt.«
    Halvor brachte ihn zur Tür und bedankte sich, dann rannte er zurück und setzte sich vor den Computer. Auf dem leuchtenden Schirm stand jetzt ein neuer Text: »Please proceed.«
    Fast wäre ihm

Weitere Kostenlose Bücher