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Fremde Blicke

Fremde Blicke

Titel: Fremde Blicke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Fossum
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furchterregend reich aus«, sagte er tonlos. »Du möchtest vielleicht einen Kontoauszug sehen?«
    Johnas zögerte. »Du mußt schon entschuldigen. Aber hier kommen häufig Leute hereingeplatzt, die das nachher schrecklich peinlich finden. Das wollte ich dir eben ersparen.«
    »Wie rücksichtsvoll«, sagte Halvor.
    Er ging, vorbei am Teppichhändler, zu einem großen Teppich, der an der Wand ausgespannt war. Streckte die Hand aus und spielte mit den Fransen. Im Muster erkannte er einen Mann und zwei Pferde.
    »Zweieinhalb mal drei Meter«, sagte Johnas mit gedämpfter Stimme. »Das wäre eine gute Wahl. Das Muster stellt einen Krieg zwischen zwei Nomadenvölkern dar. Er ist sehr schwer.«
    »Du bringst ihn doch sicher ins Haus?« fragte Halvor.
    »Natürlich. Ich habe einen Lieferwagen. Ich habe aber eher an die Pflege gedacht. Man muß ihn zu mehreren anheben, wenn man ihn ausklopfen will.«
    »Den nehme ich.«
    »Bitte?«
    Johnas trat einen Schritt vor und blickte Halvor unsicher an. Der Junge war wirklich merkwürdig.
    »Das ist so ungefähr mein teuerster«, sagte er. »Siebzigtausend Kronen.«
    Er durchbohrte Halvor mit Blicken, als er das sagte. Halvor zuckte nicht mit der Wimper.
    »Das ist er sicher wert.«
    Johnas fühlte sich nicht wohl in seiner Haut. Ein schleichender Verdacht wanderte wie eine kalte Schlange sein Rückgrat hoch. Er begriff nicht, worauf der Junge hinauswollte und warum er sich so verhielt. Das Geld hatte er nie im Leben, und wenn doch, dann würde er es nicht für einen Teppich ausgeben.
    »Bitte, pack ihn ein«, sagte Halvor und verschränkte die Arme. Er lehnte sich an einen Klapptisch aus Mahagoni, der unter seinem Gewicht erschrocken ächzte.
    »Einpacken?« Johnas’ Lippen kräuselten sich zu einem Lächeln. »Ich rolle ihn auf und wickle ihn in Plastikfolie und Klebeband.«
    »Klingt gut.« Halvor wartete.
    »Es ist eine ziemliche Arbeit, den von der Wand zu nehmen. Ich schlage vor, daß ich ihn dir heute abend vorbeibringe. Dann kann ich dir auch beim Auslegen helfen.«
    »Nein, nein«, sagte Halvor energisch. »Ich will ihn jetzt haben.«
    Johnas zögerte. »Du willst ihn jetzt haben. Und - verzeih meine Unhöflichkeit, aber wie willst du bezahlen?«
    »Bar, wenn’s recht ist.« Halvor klopfte auf seine Hosentasche. Er trug verwaschene Jeans, blaßblau und ausgefranst. Johnas stand immer noch mit skeptischer Miene vor ihm.
    »Stimmt was nicht?« fragte Halvor. »Ich weiß nicht. Vielleicht.«
    »Und was, wenn ich fragen darf?«
    »Ich weiß, wer du bist«, sagte Johnas unvermittelt. Nun stand er breitbeinig wie ein Matrose vor dem Jungen. Es war eine Erleichterung, das Eis zu durchbrechen.
    »Kennen wir uns?«
    Johnas nickte und stemmte die Hände in die Seiten. »Aber sicher, Halvor, wir kennen einander. Und ich frage mich, ob du jetzt nicht lieber gehen solltest.«
    »Warum denn? Stimmt was nicht?«
    »Jetzt hören wir auf mit diesem Quatsch«, sagte Johnas schroff.
    »Ganz meine Meinung«, fauchte Halvor. »Also runter mit dem Teppich, und zwar sofort.«
    »Wenn ich mir das genauer überlege, dann will ich ihn eigentlich gar nicht verkaufen. Ich ziehe ja bald um, ich will ihn selber behalten. Außerdem ist er zu teuer für dich. Sei doch ehrlich, wir wissen beide, daß du das Geld nicht hast.«
    »Du willst ihn also selber behalten?« Halvor fuhr herum. »Ja, das kann ich verstehen. Dann nehm ich eben einen anderen.« Er sah sich wieder die Wand an und zeigte auf einen rosa-grünen Teppich. »Dann nehme ich den da«, sagte er lässig. »Bitte hol ihn runter. Und schreib eine Quittung.«
    »Der kostet vierundvierzigtausend.«
    »Alles klar.«
    »Ach wirklich?« Johnas hatte noch immer die Hände in die Hüften gestemmt, seine Pupillen waren klein wie Schrotkugeln. »Überschreite ich alle Grenzen, wenn ich mich erst davon überzeugen möchte, daß du das Geld wirklich hast?«
    Halvor schüttelte den Kopf. »Natürlich nicht. Weißt du, man kann den Leuten ja nicht ansehen, ob sie Geld haben oder nicht, heutzutage kann man das nicht mehr.« Er schob die Hand in die Tasche und zog eine alte Brieftasche heraus. Sie war aus kariertem Kunststoff, hatte einen Klettverschluß und war platt wie ein Pfannkuchen. Er steckte die Finger hinein und ließ die Münzen klirren. Zog einige heraus und legte sie auf den Klapptisch. Johnas starrte ihn ungläubig an, als er Fünfer und Zehner und Kronenstücke aufeinanderstapelte.
    »Jetzt reicht es«, sagte er wütend. »Du hast mir schon genug

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