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Fremde Blicke

Fremde Blicke

Titel: Fremde Blicke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Fossum
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da.«
    »Wieso das?«
    »Es ist unnatürlich, daß ein Mann keine Frau hat. Es wird einfach erwartet, auf jeden Fall, wenn man die Vierzig hinter sich gebracht hat. Und wenn sich da nichts tut, dann muß es einen Grund dafür geben.«
    »Ist diese Einstellung nicht etwas paranoid?«
    »Sie wissen nicht, wie es ist, so dicht beieinander zu wohnen. Die nächste Zeit wird für sehr viele hier sehr hart werden.«
    »Denken Sie an jemand Besonderen?«
    »Im Grunde schon.«
    »An Jensvoll?«
    Fritzner gab keine Antwort. Er dachte eine Weile nach, schaute zu Skarre hinüber und traf einen spontanen Entschluß. Dann zog er die Hand aus der Tasche und hielt ihm etwas hin. »Das wollte ich Ihnen nur zeigen.«
    Skarre starrte den Gegenstand an. Sah aus wie ein Haargummi, mit Stoff überzogen, blau, mit Perlen besetzt.
    »Das hat Annie gehört«, sagte Fritzner und starrte Skarre an. »Ich habe ihn im Wagen gefunden. Vorn auf dem Boden, eingeklemmt zwischen Sitz und Tür. Ich hatte sie vor einer Woche mit in die Stadt genommen. Und dabei muß sie das Gummi verloren haben.«
    »Warum geben Sie es mir?«
    Fritzner holte Atem. »Das hätte ich lassen können, nicht wahr? Ich hätte es im Kamin verbrennen können und nicht ein Wort darüber verlieren müssen. Ich möchte aber zeigen, daß ich mit offenen Karten spiele.«
    »Ich habe nie etwas anderes angenommen«, sagte Skarre.
    Fritzner lächelte. »Halten Sie mich für blöd?«
    »Möglicherweise.« Skarre erwiderte das Lächeln. »Vielleicht versuchen Sie, mich auszutricksen. Vielleicht sind Sie ein Taktiker, der dieses reizende Eingeständnis eigens inszeniert hat. Ich nehme das Gummi mit. Und ich werde Sie in höherem Grad als bisher in Betracht ziehen.«
    Fritzner erbleichte. Skarre konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen.
    »Wie sind Sie auf den Namen für das Boot gekommen?« fragte er neugierig und blickte zur Jolle hinüber. »Das ist doch ein seltsamer Name für ein Boot? Narco Traficante?«
    »War einfach nur so eine Idee.« Fritzner versuchte, sich wieder zu fassen. »Aber klingt doch gut, finden Sie nicht?« Besorgt musterte er den jungen Polizeibeamten.
    »Und sind Sie je damit unterwegs gewesen?«
    »Nie«, gab Fritzner zu. »Ich werde immer so schrecklich seekrank.«

DER STAATSANWALT HATTE GESPROCHEN. Annie Holland durfte unter die Erde, und nun sah Eddie auf seiner Armbanduhr, daß schon über vierundzwanzig Stunden vergangen waren, seit die erste Schaufel trockene Erde auf den Sargdeckel gefallen war. Erde über Annie. Voller Zweige und Steine und Würmer. In seiner Hosentasche steckte ein zerknüllter Zettel, einige wenige Worte, die er eigentlich neben dem Sarg hatte vorlesen wollen, nach der Predigt. Daß er einfach nur schluchzend dagestanden hatte, ohne auch nur ein einziges Wort über die Lippen zu bringen, würde ihm bis an sein Lebensende zu schaffen machen.
    »Ich frage mich, ob bei S0lvi vielleicht eine kleine Störung vorliegt«, sagte er, tippte sich mit einem stumpfen Finger an die Stirn, entschied sich dann anders und ließ den Finger weiterwandern zu seiner Schläfe. »Auf dem Röntgenbild ist das nicht zu sehen, aber irgend etwas ist da. Sie hat gelernt, was sie lernen mußte, sie ist nur ein bißchen langsam. Ein wenig einseitig vielleicht. Sie dürfen nicht mit Ada darüber sprechen«, fügte er hinzu.
    »Streitet sie das ab?« fragte Sejer.
    »Sie sagt, wenn man es nicht sehen kann, dann muß es auch nicht da sein. Wir sind eben alle unterschiedlich, sagt sie.«
    Sejer hatte Holland in sein Büro gebeten. Der Mann irrte noch immer durch tiefe Finsternis.
    »Ich muß Ihnen eine Frage stellen«, sagte Sejer behutsam. »Wenn Annie auf Axel Bj0rk gestoßen wäre, wäre sie dann zu ihm ins Auto gestiegen?«
    Bei dieser Frage riß Holland verblüfft die Augen auf. »Das ist der ungeheuerlichste Gedanke, den ich je gehört habe«, sagte er dann.
    »Hier ist ein ungeheuerliches Verbrechen geschehen. Beantworten Sie einfach meine Frage. Ich kenne die Menschen, um die es hier geht, nicht so gut wie Sie, und das erscheint mir als Vorteil.«
    »S0lvis Vater«, sagte Holland nachdenklich. »Doch, vielleicht. Sie haben ihn ein paarmal besucht, sie hat ihn also gekannt. Wenn er sie dazu aufgefordert hätte, wäre sie wohl eingestiegen. Warum auch nicht?«
    »Was für eine Beziehung haben Sie zu ihm?«
    »Gar keine.«
    »Aber Sie haben mit ihm gesprochen?«
    »Kaum. Ada hat ihn nie ins Haus gelassen. Hat behauptet, er wolle sich aufdrängen.«
    »Wie sehen

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