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Fremde Blicke

Fremde Blicke

Titel: Fremde Blicke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Fossum
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fragen.«
    »Ich frage Sie, weil Sie Annie offenbar am nächsten gestanden haben.«
    »Ja. Aber solche Frauengeschichten - nein, davon habe ich nie gehört.«
    »Sie hatte einen Tumor im Unterleib«, sagte Sejer leise.
    »Einen Tumor? Sie meinen, eine Geschwulst?«
    »Eine ungefähr eigroße Geschwulst. Bösartig. Sie hatte bereits in die Leber gestreut.«
    Jetzt erstarrte Holland vollständig.
    »Da haben Sie sich bestimmt geirrt«, sagte er entschieden. »Niemand war so gesund wie Annie.«
    »Sie hatte eine bösartige Geschwulst im Unterleib«, wiederholte Sejer ruhig. »In kurzer Zeit wäre sie sehr krank geworden. Die Möglichkeit, daß diese Krankheit zum Tode geführt hätte, war ziemlich groß.«
    »Wollen Sie behaupten, sie wäre ohnehin gestorben?« Hollands Stimme hatte jetzt einen aggressiven Unterton.
    »Das behauptet die Gerichtsmedizin.«
    »Und jetzt soll ich mich wohl freuen, weil ihr diese Leiden erspart geblieben sind?«
    Voller Wut schrie er das heraus, und ein Speicheltropfen traf Sejer an der Stirn. Dann schlug Holland die Hände vors Gesicht. »Nein, nein, so war das nicht gemeint«, sagte er dann mit halberstickter Stimme. »Aber ich begreife das nicht. Daß ich so viel nicht mitbekommen habe.«
    »Entweder hat sie es ganz einfach nicht gewußt, oder sie hat nie über die Schmerzen geredet und ist ganz bewußt nicht zum Arzt gegangen. In ihrem Krankenbericht steht jedenfalls nichts.«
    »Da steht bestimmt nichts«, sagte Holland leise. »Ihr hat doch nie etwas gefehlt. Sie ist im Laufe der Jahre zweimal geimpft worden, und das war es dann.«
    »Ich möchte Sie um eins bitten«, sagte Sejer jetzt. »Bitte sprechen Sie mit Ada und überreden Sie sie, herzukommen. Wir brauchen ihre Fingerabdrücke.«
    Holland lächelte müde und ließ sich im Sessel zurücksinken. Er hatte lange nicht mehr geschlafen, und alles flackerte vor seinen Augen. Das Gesicht des Hauptkommissars bewegte sich leicht, und das tat auch der Vorhang vor dem Fenster, aber das lag vielleicht am Zug, da war er sich nicht sicher.
    »Wir haben auf Annies Gürtelschnalle zwei Fingerabdrücke gefunden. Einer stammte von Annie. Der andere kann der Ihrer Frau sein. Sie hat erzählt, daß sie Annie oft morgens Kleidungsstücke hingelegt hat, und dabei kann ihr Abdruck auf die Schnalle geraten sein. Wenn nicht, dann kann er vom Täter stammen. Er hat sie ausgezogen. Er muß die Schnalle also berührt haben.«
    Endlich begriff Holland.
    »Bitten Sie Ihre Frau, so schnell wie möglich herzukommen. Sie soll nach Skarre fragen.«
    »Ihr Ekzem«, sagte Holland plötzlich und nickte zu Sejers Hand hinüber. »Ich habe gehört, daß Asche hilft.«
    »Asche?«
    »Sie bestreichen den Ausschlag mit Asche. Asche ist das Sauberste, was es gibt. Und sie enthält Salze und Mineralien.«
    Sejer sagte nichts dazu. Hollands Gedanken schweiften ab und zogen ihn in sich hinein. Sejer ließ ihn in Ruhe nachdenken. Es war so still im Zimmer, daß sie Annie hören konnten.
    Halvor aß am Ausklapptisch in der Küche Bratwurst mit gekochtem Kohl. Danach räumte er das Geschirr beiseite und deckte seine Großmutter, die auf dem Sofa schlief, mit einer Decke zu. Er ging in sein Zimmer, zog die Vorhänge zu und setzte sich vor den Computer. So verbrachte er fast seine ganze Freizeit. Er hatte es mit Annies Lieblingsmusik versucht und Titel und Interpreten aus ihrer CD-Sammlung eingegeben. Danach versuchte er es mit Filmtiteln, ein wenig halbherzig, denn eine solche Wahl hätte Annie nicht ähnlich gesehen. Die Aufgabe kam ihm praktisch unlösbar vor. Zu allem Überfluß konnte sie unterwegs den Code ja auch verändert haben, wie das die Armee mit militärischen Geheimnissen machte. Dort wurden Codes benutzt, die sich automatisch mehrmals pro Sekunde änderten. Das hatte er in einer Computerzeitschrift gelesen. Ein Code, der sich die ganze Zeit verändert, kann fast nicht geknackt werden. Er versuchte, sich zu erinnern, wann ungefähr sie diese Datei angelegt hatten. Es war einige Monate her, irgendwann im Herbst. Ein Gefühl von Hoffnungslosigkeit überkam ihn, wenn er an all die Kombinationen dachte, die die Ziffern und Buchstaben der Tastatur ergeben konnten. Aber sie hatte sicher nichts dem Zufall überlassen. Sie hatte etwas benutzt, das sie beeindruckt hatte oder ihr lieb und vertraut war. Er wußte ziemlich gut, was das bei Annie war, deshalb machte er weiter. Bis er seine Großmutter aus dem Wohnzimmer rufen hörte, daß sie ausgeschlafen sei.
    Nun legte er

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