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Fremde Federn

Fremde Federn

Titel: Fremde Federn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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der Fahrt schlug er die Sehenswürdigkeiten nach, die Hughie identifizierte. Ja, das, was da weit vor ihnen lag, war tatsächlich das Battle Monument. »Wo ist der Federal Hill?«
    »Der ist da hinten, ein paar Meilen entfernt von Fort McHenry. Wollen Sie hin?«
    »Was? Nein, nein, ich habe nur so überlegt.«
    »Die Unionstruppen ham ihn im Bürgerkrieg besetzt. Maryland war nämlich irgendwie für den Süden, aber sicher wußte es keiner.«
    Das klang reichlich salopp, fand Melrose. Er steckte den Führer wieder in die Tasche und versuchte nachzudenken, obwohl Hughie unverdrossen seine Version der Geschichte Marylands zum besten gab. Er schloß die Augen und rief sich das Bild der Cider Alley ins Bewußtsein, von Estes und Twyla und dem Hauseingang, wo die Farbe abblätterte und die Leiche John-Joys gefunden worden war. Vielleicht konnte Milos ihm doch noch etwas über John-Joys Geheimnis erzählen, wenn es denn ein Geheimnis war.
    »... McHenry, da hat Francis Scott Key die amerikanische Nationalhymne geschrieben. Hat er beides, Text und Musik, geschrieben, wissen Sie das?«
    »Ach, wahrscheinlich nicht. Wahrscheinlich hat er mit jemandem zusammengearbeitet.«
    »Wie die Gershwins.«
    »Hm, hm.« Während sie über eine Straße mit Antiquitäten- und Trödelläden fuhren, ließ Melrose Hughie weiterschwatzen. Nouveau Pauvre, sah Melrose, als Hughie das Tempo drosselte, ging auf eine malerische Häuserzeile, deren Veranden und Dächer stufenartig anstiegen. Es war ein romantischer kleiner Laden mit weißen Schindeln, und fein geschmiedete gußeiserne Gitter schmückten Treppe und Veranda.
    Als Hughie einen Parkplatz suchte, um Melrose bei seinem Abenteuer zu begleiten, sagte dieser ihm, er solle ihn in einer Stunde wieder abholen. Das Taxi hielt an, und Melrose stieg aus.
    Das gußeiserne Treppengeländer erinnerte Melrose an Anzeigen für »entzückende Landhäuser« und Bilder von New Orleans. Die oberste Stufe war so breit und hoch über dem Erdboden, daß ein Mann leicht darunter stehen konnte.
    Da stand auch ein Mann. Mit Hund. Wenn Melrose nicht gewußt hätte, daß es Milos war, hätte er es bestimmt jetzt an dem Schild erkannt, das Besucher ermahnte, sich von seinem Platz fernzuhalten. Der kräftige Mann trug einen Armeemantel und sah aus, als sei er in dem Unterstand, den ihm der Laden gewährte, festgewachsen. In der angenehmen Überzeugung, daß er mit Obdachlosen ja nun mittlerweile auf du und du stand, zog Melrose lächelnd einen Schein aus der Börse. Der Hund schien zwar zweifelhafter Abstammung, aber freundlicher als der Mann zu sein; er bellte leise und wedelte mit seinem Stummelschwanz.
    »Entschuldigen Sie, bitte. Ob ich wohl ein paar Worte mit Ihnen reden kann?« Melrose knisterte mit dem Geldschein, damit der Blinde merkte, daß er bereit und willens war, für Informationen zu zahlen. Dieser spezielle Blinde aber stellte einfach den entnervenden Blickkontakt her, bei dem man das Gefühl bekam, er starre einen direkt an. Kein Wunder, daß Melrose Milos’ Taubheit einen Moment lang vergessen hatte.
    Er entdeckte ein Häuflein Zigarettenkippen in einem Blechaschenbecher und zückte sein Zigarrenetui. Der Hund bellte zustimmend, vielleicht wollte er eine mitrauchen. Melrose fiel ein, daß Jury gesagt hatte, man könne in Milos’ Hand schreiben, und er langte danach. Er legte ihm die Zigarre in die offene Hand.
    Er hatte erwartet, daß Milos das Geschenk unter allerlei Gefummel, Geklammere und Gegrunze annehmen würde. Statt dessen hielt Milos die Zigarre hoch, fuhr sich ein paarmal damit unter der Nase entlang und versuchte, sie in der Brusttasche seiner Anzugjacke, die überhaupt nicht zu der Hose paßte, zu verstauen. Er machte etliche erfolglose Versuche, sie hineinzuschieben, aber es gelang ihm nicht. Dann probierte er es bei der anderen Tasche und hatte Erfolg. Alles ohne Kommentar, als sei er der Auffassung, daß ihm Geld und Zigarre von Rechts wegen zustanden.
    Es schien kein Gespräch zu werden, in dem die üblichen einleitenden Höflichkeitsfloskeln zu beachten waren, deshalb hob Melrose die Hand des Mannes einfach noch einmal und kritzelte auf die Handfläche. »John-Joy?«
    »Wer, ich? Ich bin nicht John-Joy. Können Sie nicht lesen?« Milos deutete mit dem Daumen hinter sich.
    »Nein, nein«, sagte Melrose automatisch. Er seufzte, nahm wieder Milos’ Hand und schrieb sorgfältig: »Was ist der Kram?«
    Unwillig bewegte Milos den Kopf von links nach rechts. Er brüllte: »Zum Teufel,

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