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Fremde Federn

Fremde Federn

Titel: Fremde Federn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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hätte zum Nouveau Pauvre zurückgehen können, aber die Vorstellung, mit Milos noch einmal ein Gespräch anzufangen, war zu abschreckend. Es war ohnehin fast sieben Uhr, und Milos hatte seinen Posten sicher schon verlassen, um seinen Rundgang durch die Stadt anzutreten.
    Melrose fuhr sich mit den Händen übers Gesicht, ballte sie zu Fäusten, kratzte sich am Kopf und versuchte, sich auf etwas zu besinnen, das Hughie im Taxi gesagt hatte. Hug-hie hatte ununterbrochen erzählt, und Melrose hatte nicht zugehört. Jetzt tat es ihm leid. Irgend etwas schwamm ihm im Kopf herum und wollte ihm nicht ins Netz gehen, er konnte es nicht hochziehen. Er fragte sich, ob Hughie immer noch draußen in seinem Taxi herumtuckerte - Herrgott, wenn er nicht aufhörte, in diesen Fischerbildern zu denken, verwandelte er sich noch selbst in einen Fisch.
    Etwas trieb ihn in die Cider Alley. Vielleicht konnten ihm John-Joys Kumpel doch noch etwas erzählen. Oder auch nicht. Er konnte sich des Gefühls nicht erwehren, daß er mit seinem Beitrag zu ihrem Wohlbefinden schon jedes Fitzelchen an Information erkauft hatte, das sie besaßen.
    Melrose seufzte, dachte ein wenig nach und erinnerte sich, daß Hughie ihm die Enoch Pratt Library gezeigt hatte. Er zog den Stadtführer heraus, schaute im Inhaltsverzeichnis nach und fand sie auf einer der Ausschnittkarten. Da hatte sogar Hughie mal ins Schwarze getroffen.
    Er verstaute die Urkunde sicher in seiner verschließba-ren Tasche, warf sich das Cape über die Schultern und ging die Treppe hinunter.
    Kein Hughie in Sicht, deshalb rief er ein Taxi, aus dem gerade ein Fahrgast ausstieg. Als sie durch die Calvert Street fuhren, fragte Melrose den Fahrer, was er über die Calverts wüßte.
    Der Fahrer erzählte ihm, sie stellten Whisky her.
Kapitel 32/II
    Was genau er suchte, wußte Melrose nicht, aber er fragte die Bibliothekarin nach Büchern, die sich mit der Geschichte Marylands und seiner alteingesessenen Familien beschäftigten, nach alten Akten und Dokumenten. Die Bibliothekarin führte ihn zu einem der Regale in der Präsenzbibliothek und fragte, was er speziell wünsche. Er wolle nur ein bißchen herumstöbern, sagte er, die Geschichte Baltimores oder Marylands im allgemeinen, insbesondere des siebzehnten, achtzehnten Jahrhunderts, interessiere ihn.
    Er nahm drei Bücher mit zu einem langen Tisch und setzte sich. Es gab viele freie Plätze; die Bibliothek war nicht sonderlich besucht. Ein paar Leser verteilten sich an den langen, dunklen Tischen, blätterten leise Seiten um, schrieben auf Karteikarten und in Notizbücher oder frönten sonstigen literarischen Neigungen.
    Melrose liebte Bibliotheken, für ihn waren es Oasen, Fluchtburgen aus einer ansonsten tumultuösen Welt. Er mochte das leise Rascheln von Papier, die lautlosen Schritte, die geflüsterten Unterhaltungen. Ihm direkt gegenüber saß ein alter, graubärtiger Mann in einem übergroßen Mantel, von Büchern und Tüten umgeben, und las, indem er mühevoll mit dem Finger Zeile für Zeile verfolgte und die Worte mit den Lippen formte. Auf jeder Seite hatte er einen Rucksack stehen, mit dem er bestimmt Lesestoff hinausschmuggelte (dachte Melrose). Fortwährend griff er in eine fettige braune Tüte und förderte jedesmal ein dickes Stück von einem Sandwich zutage. Fröhlich vor sich hinmümmelnd schaute er Melrose über den Tisch an und lächelte breit.
    Melrose erwiderte das Lächeln und überlegte, ob er sich nicht für den demnächst frei werdenden Bibliothekarsposten in der Bibliothek von Long Piddleton bewerben sollte. Dann besann er sich auf die unmittelbar bevorstehende Aufgabe und fing an, sich durch die Register der Revolutionären Kolonialkirche Marylands hindurchzulesen. Es gab Volkszählungsunterlagen, Heirats- und Sterberegister, voll von der Sorte abstruser Informationen, die Diane Demor-ney so liebte. Die Bibliothekarin mit dem freundlichen Gesicht und den rosigen Wangen kam verstohlen an seinen Tisch, legte zwei weitere Bücher darauf und schlich wie eine Diebin auf leisen Sohlen davon. Ein Buch enthielt Faksimiles der Tätigkeitsberichte des Gouverneursrats aus den Jahren 1636 bis 1647.
    Melrose öffnete es, ging die Seiten durch und kam zu einem der vielen Dokumente, die dem Protokollbuch des Oberhauses entnommen waren.
    Melrose las:
    »Lord & Comons fuer außlaendische Besizungen, Novem: 1645,
    ... sintemalen durch Freibrief, qua wechselb. Dero Maiestaet im 8ten Jahre Seiner Regentschaft dito Provinz dem Cecill

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