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Fremde Federn

Fremde Federn

Titel: Fremde Federn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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mitzufahren.
    »Nein. Für Sie sind das hier Ferien, Wiggins.«
    »Ich würde mir wirklich gern ein paar Sehenswürdigkeiten anschauen. Zum Beispiel die Johns Hopkins.«
    »Kommen Sie mit mir«, sagte Ellen. »Morgen früh muß ich unterrichten.«
    »Ich hatte eher an die Klinik gedacht.« Wiggins trank die letzten Reste seines weißlichen Gesöffs.
    »Was zum Teufel ist das eigentlich?«
    »Bromo-Seltzer, Sir. Schmeckt sogar ganz gut.«
    Jury verdrehte die Augen und schüttelte den Kopf; dann sagte er zu Melrose: »Vielleicht könnten Sie dem Antiquitätenladen, wo Beverly die Truhe gefunden hat, mal einen Besuch abstatten. Wo war er noch gleich?« fragte er Ellen.
    »In der Aliceanna Street. Ein paar Querstraßen entfernt von hier. Und ich bin mit dem Unterricht um zwei fertig, da können Sie mich hinterher in der Hopkins treffen. In der Gilman Hall.«
    Das Footballspiel war von einer Rateshow abgelöst worden, und die Stammgäste am Tresen gafften mit halb offenem Mund. Das Geschehen auf dem Bildschirm interessierte sie zwar nicht die Bohne, aber in Ermangelung einer Alternative nahmen sie mit dem vorlieb, was geboten wurde. Die flackernden bläulichen Schatten verliehen ihren Gesichtern einen blausüchtigen Anstrich. Hinten im Raum baute ein junger Gitarrist ein paar tragbare Verstärker und ein Mikrophon auf.
    Jury schaute auf die Uhr. »Es ist nach ein Uhr nachts, Londoner Zeit, und wir haben noch nicht zu Abend gegessen. Ich verhungere. Was ist mit Ihnen?« Er trank sein Bier aus und erhob sich. Ellen zog ihn wieder herunter.
    »Moment noch.« Jetzt buddelte sie in einer anderen Tasche, die voller Bücher war. »Und bevor ich esse, muß ich los und meine Katze füttern.«
    Melrose warf einen Blick auf das sackähnliche Behältnis. »Ist sie da drin?«
    Sie schaute ihn an. »Tun Sie nicht so dumm. Ich suche was.« Sie brachte ein Buch mit einem grellbunten Umschlag und noch mehr Manuskriptseiten zum Vorschein.
    »Mein neues Buch«, sagte sie und zeigte auf das Manuskript.
    »Welches? Das Saucen-Buch?«
    Ellen schaute ihn böse an. »Sauvage Savant war nicht über Saucen!«
    »Sie haben gesagt, es ginge um einen Delikatessenladen. Einen Deli irgendwo in Brooklyn, haben Sie selbst gesagt.«
    »In Queens. Ist aber auch egal. Das hier ist Türen.«
    »Türen?«
    »So heißt es. Es ist das zweite in der Trilogie. Nach Fenster «, fügte sie hinzu.
    Jury nahm das schreiend bunte Buch, das offenbar von einer Italienerin stammte, und fragte: »Was soll das nun wieder, Ellen?«
    »Sie versucht, Sweetie zu stehlen.«
Kapitel 12
    Sweetie.
    »Ist das Ihre Katze, Miss?« fragte Wiggins und erhob sich, um noch ein Bromo-Seltzer am Tresen zu erstehen.
    »Nein. Das ist meine Pro-ta-go-nis-tin, Sergeant Wig-gins!« fauchte Ellen; ihr Gesicht wurde puterrot und dann traurig.
    Wiggins schämte sich aber gar nicht, sondern schaute sich ihren Kummer besorgt an. Dann ging er los, um noch eine Runde zu bestellen.
    Melrose hatte noch nie jemanden so betrübt gesehen wie Ellen. Sie zog ein abgegriffenes Bändchen aus der Tasche mit den Büchern: Fenster . Es war vielleicht nicht der geeignete Augenblick zu erwähnen, daß ihm eine Protagonistin namens »Sweetie« Probleme bereitete. Er nahm ein paar Seiten des Manuskripts, überflog sie kurz, kam zu dem Schluß, daß dieser Text nicht leichter zu verstehen war als der erste, und hoffte, daß nicht etwa ein kluger Kommentar von ihm erwartet wurde.
    Seine mehr oder minder klugen Kommentare waren aber gar nicht gefragt. Ellen, die Gedankenleserin, betastete zärtlich Fenster und sagte: »Manchen Leuten fällt es nicht leicht, sich für eine Figur zu erwärmen, die Sweetie heißt, was verständlich ist. Konnten Sie sich dafür erwärmen?«
    »Ich? Hm, ich habe überlegt, ob ...«
    »Ich sofort«, sagte Jury. »Ich finde den Namen großartig. Ich finde auch das Buch großartig, Ellen.«
    Wann hatte er es ...? Melrose schaute Jury groß an. Im Flugzeug! Jury hatte das ganze Buch - na ja, allzulang war es nicht - auf dem Flug hierher gelesen. Kein Wunder, daß Jury bei Frauen wie bei Zeugen immer so erfolgreich war.
    »Ja, aber schauen Sie sich das hier an!« Sie hielt das andere Buch hoch, das mit dem schreiend bunten Umschlag und dem Picassoartigen Torso darauf. Es hieß Lovey. Das, dachte Melrose, ließ Übles ahnen.
    »Hören Sie zu.« Ellen fing an, aus Fenster vorzulesen:
    Sweetie hob den weißen Briefumschlag vom Teppich auf. Er war feucht, weil der Morgen draußen so naßkalt war.

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