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Fremde Federn

Fremde Federn

Titel: Fremde Federn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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warten kann. Und er war auch fest entschlossen dazu, obwohl er wußte, daß sie ihm davongefahren war. Und er sich die nächste Depression holte.
    Während er düster darüber nachgrübelte, wo Jenny jetzt sein könnte, hörte er plötzlich ein französisches Lied im Hintergrund. Er schaute den Bahnsteig entlang, in die Richtung, wo die Musik herkam, und sah, daß der Junge die Kopfhörer abgenommen hatte, als wolle er auch den einsamen Unbekannten in den Genuß dieser chanteuse kommen lassen. Jury war verblüfft, daß der Knabe in diesem ausgeflippten Outfit nicht nur solch langsame und traurige Musik hörte, sondern obendrein traurige Musik in französisch.
    Er stand auf, ging langsam den Bahnsteig entlang und vergewisserte sich, daß die Klänge wirklich von dem Jungen herüberwehten. Er lauschte und kriegte trotz seines spärlichen Schulfranzösisch hier und dort ein Wort oder einen Satz mit:
    Das verstand er ja nun doch.
    ». Que je suis perdue .«
    Vorbei, verloren. Ja, das verstand er auch. Plant sollte hier sein und es ihm übersetzen, anstatt mit Charly im Pub Bier zu trinken. Aber Jury wollte es im Grunde gar nicht übersetzt haben; das Chanson wurde ja gerade dadurch so anrührend, daß er so wenig verstand. Der Junge auf der Bank drehte sich zu Jury um, nickte und hörte wieder zu. Dann beugte er sich vor, stützte die Ellenbogen auf die Knie und senkte den Kopf. Vielleicht fand er ja, dieses Lied vebinde sie.
    Jury stand auf und ging zurück in die leere Bahnhofshalle. Die Musik konnte er dort immer noch hören, wenn auch ein wenig leiser - das klagende Klavier und die weinenden Violinen schienen sich in seinem Kopf einnisten zu wollen.
    »Je t'aime . adieu.«
    Das war eindeutig. Aber die Worte dazwischen hätten von einem anderen Stern kommen können. Da stand er, starrte auf den geschlossenen Rolladen des Fahrkartenschalters, hob die Hand, um an die Scheibe zu klopfen, ließ sie sinken. Was hätte er denn fragen sollen?
    Ende. Die wunderschöne Stimme hörte einfach auf zu singen, bot ihren Zuhörern keine schützende Wärme mehr. Reglos blieb Jury stehen. Eiskalt wurde ihm klar, warum er und Jenny voneinander enttäuscht waren: Sie hatte nie auch nur einmal ihre Unschuld beteuert. Doch genausowenig hatte er ihr auch nur einmal gesagt, nachdrücklich versichert, daß er von ihrer Unschuld überzeugt war.
    Weil er es nicht wußte, und sie wußte, daß er es nicht wußte.
    Und er wußte es immer noch nicht. Amour. Adieu. Fini.
    Jury verließ den Bahnhof.
    »Ich muß mich bei Ihnen entschuldigen, Charly«, sagte er, zurück im Pub, der nun etwas leerer war. Sie hatten sogar Barhocker gefunden und konnten an ihrem Tisch sitzen.
    Melrose hob sein Glas. »Prost!«
    Jury hatte den Eindruck, daß Plant nicht ganz so geradeaus guckte wie sonst.
    »Und jetzt singen wir!«
    Charly Moss kicherte, hustete und unterdrückte ein Niesen. Alles gleichzeitig.
    Melrose versuchte sich an Tonleitern. »Do-re-mi-fa-«, als singe er sich ein.
    »Sie sind ja betrunken«, sagte Jury baß erstaunt. »Sie sind beide betrunken.« Er schaute
    von einem zum anderen. So hatte er Melrose noch nie erlebt.
    Wieder machte Charly dieses Geräusch durch die Nase.
    Jury schüttelte den Kopf, nahm sein Glas von vorher, ein Bierrest war noch drin, und ging zur Bar. Als er zurückschaute und sah, daß auch die anderen beiden Gläser leer waren, grummelte er: »Ach, was soll's!«, ging zurück und nahm sie mit.
    Am Tresen beobachtete er, wie die hübsche, nette, leicht übergewichtige Besitzerin die Gläser füllte. Dann drehte er sich um und sah, wie eine bleiche junge Frau Münzen in eine Jukebox warf. Unmittelbar darauf, als hätte er hinter den Kulissen nur darauf gewartet, trat Frank Sinatra heraus und schmetterte My Way. Gab es überhaupt jemanden, der einen mehr bestärkte als der alte Blue Eyes? Jury schaute wieder zum Tresen, wo die Besitzerin die Schaumschicht von Charlys halbem Pint Guinness kappte. Sturzbetrunken würde sie von dem Stoff werden, na, war sie schon. Während er versuchte, die drei Gläser alle auf einmal zu umfassen, fielen Stimmen in Franks Gesang ein. Am Ende der Zeilen glitten sie immer einen Takt zu spät hinein. Sie klangen verdächtig bekannt. Ja, Sinatras Chor saß an dem Tisch, den Jury gerade verlassen hatte. Seufzend ging er zurück. Bis Feierabend waren es immer noch ein paar Stunden, und die Herrschaften kamen gerade erst in Fahrt.
    ». each and every byyyyyy-way ... da da da da ... the record shows I did

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