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Fremde Federn

Fremde Federn

Titel: Fremde Federn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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Schluck. Aaah! Am liebsten hätte er die ganze Flasche niedergemacht.
    Jenny langte zu einem Regal hoch und holte eine Porzellandose herunter. »Sie tun ja so, als würden sie nicht mehr hergestellt.« Lächelnd hielt sie ihm die Dose entgegen.
    Blöde schaute Jury die Zigaretten an und schob die Schachtel brüsk zurück. »Nein, aber ich habe aufgehört, sie zu rauchen. Schon vergessen?« Er war ganz irrational wütend.
    »Ja.« Sie legte die Dose wieder weg. »Sind Sie deshalb so gereizt?«
    Er verschluckte sich fast an dem Cognac. Gereizt? Als er sich ein wenig gefaßt hatte, sagte er: »Nein, Jenny, nicht deshalb. Aber ich werde mit jedem Moment >gereizter<, wie Sie es zu nennen belieben. Wie können Sie so lächeln?« Das Lächeln verschwand wie bei einem Model, das auf Befehl ernst wurde. »Jenny, warum, zum Teufel, sind Sie weggelaufen?« fragte er zum zweitenmal.
    »Ich wollte einfach nur hierher zurück. Deshalb. Weg aus Lincoln. Das verstehen Sie doch sicher.«
    Jetzt ging sie auch noch zum Angriff über, stellte ihn als den unsensiblen Kerl hin, der seine Ansprüche an sie wichtiger nahm als ihre Bedürfnisse. Aber da lag ja der Hase im Pfeffer. Seine Bedürfnisse waren nicht identisch mit ihren. Ihr schien wirklich nicht klar zu sein, warum er oder Plant oder Charly oder sonstwer es seltsam finden mochte, daß sie nicht gewartet hatte. Ja, mehr - und vielleicht schlimmer -noch: Sie hatte offenbar gar nicht den Wunsch verspürt, sie zu sehen. »Es gibt ein paar Leute, die daran interessiert waren - und sind -, wie Sie sich nach der Verhandlung gefühlt haben.« Das war hoffentlich bombastisch und streng genug.
    »Es tut mir leid.« Sie betrachtete ihren Cognacschwenker.
    Glaubte sie nun, er sei aus Lincoln herbeigefahren, um ihr eine Entschuldigung abzutrotzen? Seine Hände waren immer noch kalt, Kaffee hin, Cognac her. »Wir wollten wissen, wie es Ihnen ging. Ich wollte es wissen.«
    »Es bedeutet ja nicht, daß es vorbei ist«, sagte sie ziemlich verzagt.
    »Es ist aber sehr unwahrscheinlich, daß die Staatsanwaltschaft von sich aus erneut gegen sie ermitteln wird.« Er redete schon wie Charly Moss. Einen Moment lang mußte er wider Willen lächeln. Aber auch wirklich nur einen Moment lang. Ihm war nämlich eingefallen, wie Melrose und Charly singend über den Bürgersteig getaumelt waren. Das Bild würde er so schnell nicht vergessen. Und weiter dachte er dann an das unglückliche Treffen in Stonington, als er Jenny und Melrose überrascht hatte. So harmlos es auch gewesen war, Melrose Plant hatte Jurys Befindlichkeit im Handumdrehen erfaßt. Nein, mehr: Er hatte Jurys Gefühle gefühlt. Er wußte, was los war. Jenny nicht.
    »Das finden Sie lustig. Warum?«
    »Wie bitte? Ach, es war nur was mit Melrose Plant.« Dann fragte er: »Meinen Sie nicht auch, daß Pete Apted seine Sache absolut großartig gemacht hat?« Kritisierte er sie nun, weil sie nicht dankbar genug war? Offensichtlich.
    »Er ist wahnsinnig gut. Ich hatte ja nur gehofft, ich würde -« Sie zuckte ganz leicht die Schultern und beugte sich über das Glas.
    »Daß Sie freigesprochen würden, ich weiß. Wer kann Ihnen das verübeln? Aber die Abweisung der Klage war das Nächstbeste, was passieren konnte. Ich sehe auch nicht, wie Sie in Ermangelung anderer Verdächtiger hätten freigesprochen werden können.«
    Sie reagierte nicht sofort, sondern betrachtete ihn nachdenklich.
    »Wenn ich irgend etwas herausgefunden hätte, hätte ich Bannen ganz gewiß darüber informiert.« Wie haßte er das Gefühl, daß er ihr nicht hatte helfen können.
    Erneut schwieg sie. Dann sagte sie: »Ich glaube, ich sollte von hier verschwinden.« Über der Sessellehne hing ein seidiger Schal, sie nahm ihn und schlang ihn um sich.
    Wieder empfand Jury die Kälte. »Das verstehe ich nicht.«
    »Vielleicht würde es mir guttun, wenn ich einfach von hier wegginge.«
    »Na gut, vielleicht von hier weggehen. Aber wohin? Das ist das Problem. Zumindest wäre es das für mich.«
    Jenny zog den Schal so fest um sich zusammen, als sei er eine zweite Haut. Als wünschte sie es, weil die erste als Schutz nicht ausreichte. Ein Holzscheit sprühte Funken, zerbrach, fiel auseinander. Sie schob die glühenden Stückchen mit der Fußspitze zurück.
    Genauso, fühlte Jury, zerbröckelte seine Entschlossenheit, das heißt eher seine Macht, Jenny umzustimmen. Hinter ihrer sanften, beinahe passiven Art besaß sie einen eisernen Willen. Er merkte, er spürte es, wie sie sich wie vor

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