Fremde Federn
weder das Motiv für den einen noch für den anderen Mord. Aber gewisse Tatumstände bei dem ersten. Die beiden Frauen, Jenny und die Dunn, waren draußen und haben sich gestritten. Da wurde Verna Dunn das letztemal lebend gesehen.«
»Gütiger Himmel ... hm, aber wenn man bedenkt, daß auch die Küchenhilfe ermordet worden ist - Ihr DCI Bannen meint offenbar, es sei ein und derselbe Täter.«
»Eben.«
»Na dann . « Melrose schaute wieder ins Feuer. »Jenny ist jetzt aber nicht dort, oder?«
Jury verneinte. »Sie ist wieder in Stratford.«
»Wenn Bannen meint, es sei derselbe Mörder, dann ist sie doch aus dem Schneider.« Er nahm sein Glas.
»Nur wenn klar ist, wo sie in der Nacht des vierzehnten war. Von Stratford nach Fengate sind es bloß wenige Stunden, zwei, allerhöchstem drei.«
»Mein Gott, Sie klingen ja wie der Staatsanwalt persönlich.«
»Ohne Motiv ist es absurd. Ich glaube nur . daß DCI Bannen eine Menge weiß, was er mir nicht sagt. Es fällt mir trotzdem schwer zu glauben . « Wieder glitt Jury tiefer in den Ledersessel, den Blick zur Decke gerichtet.
Trotz des unseligen Gesprächsthemas fand Melrose es wunderbar, hier zu sitzen und mit Jury zu plaudern, als sei die Uhr zurückgestellt. War sie aber nicht, und er wollte es auch vom Herzen haben. »Hören Sie, Richard. An dem Tag in Stonington -«
»Was ist damit?«
»Sie sind so schnell abgefahren . Hm, ich hatte immer ein mieses Gefühl deswegen. Ich meine, ich bin da reingeplatzt -«
»Aber Sie waren doch nur dort, weil ich Sie gebeten hatte, mir bei der Suche nach ihr zu helfen. Nur deshalb. Wie können Sie da sagen, Sie wären reingeplatzt? Reichlich grob ausgedrückt, muß ich sagen.« Jury lächelte, trank seinen Whisky, nahm die Serviette von der Sessellehne und hielt sie hoch. »Das ist doch wohl hoffentlich nicht der Grund, warum Sie sie ausgestrichen haben. Meine Güte, das wäre ja eine Entscheidung von großer Tragweite.«
»Was für eine Entscheidung?«
»Wenn Sie hier etwas ganz anderes aufgelistet hätten, meine ich. Wie zum Beispiel die Frauen, die Sie lieben. Oder heiraten wollen.«
»Wie bitte? Was?« geiferte Melrose los. »Heiraten? Ich? Wen zum Teufel sollte ich denn heiraten?« Wieder das bellende Lachen.
Jury wedelte mit der Serviette. »Na, eine von den Damen hier.«
»Seien Sie nicht albern!« Dann schwieg Melrose. »Ich wollte nur nicht, daß Sie meinen, daß ich -« Was denn überhaupt? »Lady Kennington und ich ... wir passen nicht sonderlich zusammen.«
»Komisch. Ich hätte das Gegenteil vermutet.«
»Da irren Sie sich eben. Ich finde sie, hm, ein bißchen . trocken. Wissen Sie, was ich meine?«
Jury schüttelte den Kopf. »Nein. Droge?«
»Natürlich nicht!« versetzte Melrose ärgerlich.
»Kühl? Oder trocken wie einen Martini a la Diane Demorney? Das ist doch immer das Ultimative an Trockenheit für Sie.«
»Jenny ist überhaupt nicht mein Typ.« Melrose quälte sich weiter redlich ab. »Verstehen Sie, ich kritisiere sie ja nicht. Aber die Menschen sind verschieden. Die einen kommen besser mit . ich kann mir zum Beispiel nicht vorstellen, daß Sie und Ellen Taylor aufeinander abfahren.«
»Ich schon.« Wieder trank Jury einen Schluck. »Um ehrlich zu sein, ich kann mir vorstellen, daß ich auf alle diese Frauen >abfahre<. Außer natürlich auf Miss Fludd, die ich nicht kenne.«
»Ich meine, relativ gesehen. Ach, Mist -«
Jurys Lachen war aufrichtig und herzlich. »Sie sind ein schrecklicher Lügner. Aber die Episode in Stonington, die ist doch längst vergessen.«
Das vermochte Melrose kaum zu glauben. »Bestimmt?«
»Aber ja doch. Ich meine, wie kann ich Ihnen denn die Geschichte noch verübeln, wenn Sie mir nun diesen gewaltigen Gefallen tun, den gräflichen Antiquitätenexperten zu spielen und Unterricht bei Marshall Trueblood zu nehmen? Wenn Sie das tun, dann müssen Sie doch ein großartiger Freund sein.« Jury grinste.
»Erpressung!«
»Wer wen? Ich? Sie glauben doch wohl nicht, daß ich mich dazu herablassen -«
Melrose kniff die Augen zusammen und betrachtete ihn. »Sie lassen sich zu allem herab.«
»Gut, ich gebe gern zu, daß ich an dem Tag in Sto-nington sehr durcheinander war - stinkwütend, wie ich mich erinnere. Ich bin bis nach Salisbury gefahren und dann in Old Sarum rumgelatscht, in diesem gottverlassenen Ruinenfeld, wo wir ermittelt haben. Da habe ich einen Burschen getroffen, der dort arbeitet. Er hat mich an Othellos vorschnelles Urteil über Desdemona erinnert.
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