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Fremde Federn

Fremde Federn

Titel: Fremde Federn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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telefoniert. Sie wissen ja, wie die sind. Ich bin Grace Owen. Hier gab es einen Mord. Nein, zwei Morde.« Die Zahl zwei schien ihr fast peinlich zu sein, als befürchte sie, man halte sie für sensationslüstern.
    Sie wirkte richtig erleichtert, daß er nicht erschrak, sondern ihr mitteilte, daß er schon Bescheid wisse. »Die Gäste dort im Pub«, er deutete mit dem Kopf in die Richtung, in der es lag, »haben es mir erzählt. Sie kennen es ja sicher. Es heißt Case Has Altered.« John Price erwähnte er nicht. Er wußte nicht, warum.
    »Ja, sicher.« Sie lächelte, hörte aber abrupt wieder auf, als sei unter diesen Umständen ein Lächeln unangemessen. »Dann wissen Sie wahrscheinlich auch, daß die geschiedene Frau meines Mannes ermordet worden ist. Und eine Angestellte von uns, eine junge Frau. Das war erst vor ein paar Tagen.«
    Melrose nickte. Grace Owen, ihre Stimme ebenso wie ihr Gesichtsausdruck, wirkten so aufrichtig, so ... klar. Kristallklar, wie dieses Kelchglas. Er sah von ihr zu dem Corpus delicti, sagte: »O Verzeihung« und stellte es wieder an seinen Platz.
    Sie lächelte. »Eins von Max' Lieblingsstücken.«
    Zum Kuckuck, dachte Melrose, gleich beim ersten Mal voll danebengegriffen. Ein Pokal war nicht auf Jurys Liste. Warum hatte er nicht besser aufgepaßt, als Trueblood ihn in Glaskunde unterwiesen hatte? Er fragte sich, welche Überraschungen sein laienhaftes Auge sonst noch erwarteten.
    »Mr. Trueblood hat sich über den unglaublichen Umfang Ihres Wissens sehr schmeichelhaft geäußert. Und sind Sie nicht auch ein Freund des Beamten von Scotland Yard, der hier war?«
    Er schluckte. Natürlich, Jury hatte ihr ja erzählt, er kenne einen sehr fähigen Gutachter. Dazu mußte er stehen. Es machte seine Rolle nur einfach so verdammt fragwürdig. Weiter blöde grinsend, hoffte er, sie würde, nicht nach Herkunft und Alter des Glases fragen.
    »Sie brauchen aber auch eine breite Palette an Kenntnissen. Max scheint«, sie breitete die Arme aus, »alles zu mögen.«
    War Max großherzig oder nur unkritisch? Er wußte es nicht. Vielleicht war er auch einfach nur steinreich und konnte sich kaufen, was er wollte.
    Sie stand immer noch ein Stück von ihm entfernt, wegen der schlechten Lichtverhältnisse war ihr Gesicht schwer zu erkennen. Aber er sah, daß es hübsch war.
    »Das hier nennt er hochtrabend die Skulpturenhalle, wobei er meines Erachtens ein wenig übertreibt.« Sie schlang den Arm um die Taille der Dame mit dem Samthalsband, die ihr so unheimlich ähnelte, als hätte sie dafür Modell gesessen, das heißt, gestanden. Dann fuhr sie fort: »Ich nenne sie >die kalten Damen<. Arme Dinger.« Sie tätschelte der kalten Dame die Schulter. »Das ist Gwendolyn.« Sie strich ihr über den Arm. »Ich habe ihnen Namen gegeben. Ihre Persönlichkeiten sind alle ganz verschieden. Mein Mann hält mich für verrückt.« Was ihr einerlei zu sein schien. »Er ist übrigens in London. Das hätte ich Ihnen gleich sagen sollen. Aber er weiß natürlich, daß Sie kommen, und wird bald zurück sein, spätestens zum Dinner. Er freut sich schon sehr darauf, mit Ihnen zu reden. Wie lange bleiben Sie? Ich frage nur, weil meine Köchin mir keine Ruhe läßt, bis sie es weiß. Sie können natürlich so lange bleiben, wie Sie mögen.« Sie nahm Gwendolyn das Samthalsband ab.
    »Sie meinen - hier?«
    »Natürlich hier. Das ist doch selbstverständlich.« Sie steckte das Band in die Tasche ihres grauen Kleides. »Es ist schön, wenn jemand Neues hier ist ...« Nun ging sie zu dem hohen Fenster, das ihr am nächsten war, und zog an der Schnur, um die Vorhänge ganz zu schließen. »Max hat immer Angst, daß seine Bilder und die alte Tapete im Licht verblassen. Ich glaube, die Tapete ist von William Morris.« Sie schloß der Reihe nach alle Vorhänge, bis sie zu dem Fenster neben ihm kam. Das spärliche Licht beleuchtete ihr Gesicht, die Wangenknochen, das helle Haar, die bernsteinfarbenen Augen. Offenbar sprach sie immer mühelos aus, was sie gerade dachte. Sie erinnerte ihn an Miss Fludd.
    Obwohl er noch kein klares Bild von Max Owen hatte, kam er zumindest schon zu dem Schluß, daß einem Mann, der bei einer solchen Ehefrau am Licht sparte, mit Skepsis zu begegnen sei.
    »Gehen wir in ein anderes Zimmer, ja? Hier ist es einfach zu kalt.« Sie schloß auch den letzten Vorhang, und erst jetzt bemerkte er, daß die Statuen, unabhängig von ihrem Standort, alle in dieselbe Richtung gedreht waren, blind dem Licht zugewandt.
    Er

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