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Fremde Federn

Fremde Federn

Titel: Fremde Federn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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»Sie war die letzte, die Verna lebend gesehen hat. Kein Wunder, daß der Beamte aus Lincolnshire meint, sie hätte was damit zu tun. Ist doch logisch. Sie steckt ernsthaft in der Klemme.« Sie runzelte die Stirn, seufzte, stemmte wieder die Hände in die Hüften. »Schwer, ohne zusätzliche Hilfe. Dorcas hat auch im Pub gearbeitet, im Case. Dem Dorfpub.«
    »Sie hatte zwei Jobs? Da wollte sie wohl vorwärtskommen?«
    »Die nicht!« lachte Annie. »Vorwärtskommen wollte die nicht. Sie hat zwar behauptet, sie spart für was. Aber das >Was< muß ein Mann gewesen sein.« Sie schwieg und betrachtete ihr Werk. »Einerlei, eine Weile lang ging es ihr dort richtig gut. Sie war nicht mehr so verdrießlich wie sonst. Das dauerte aber nicht lange. Hier in der Küche ist sie immer mit Jammermiene rumgelaufen und hat gesagt, sie hätte nicht hören sollen. Sie mußte ja auch ihre Nase dauernd überall reinstecken.«
    Melrose vergaß, die erhobene Tasse zum Mund zu führen. »Ihre Nase überall reinstecken? Wie meinen Sie das, Mrs. Suggins?«
    Während Annie nun eifrig in die Töpfe guckte und geräuschvoll mit den Rührlöffeln an die Ränder schlug, erzählte sie: »Also, ich will ja nicht schlecht über das Mädchen reden, aber ich mußte ihr mehr als einmal sagen, ihre Nase nicht immer in anderer Leuts Angelegenheiten zu stecken. Ein paarmal hab ich sie erwischt, wie sie an einer Tür gelauscht hat. Also, so was! Da war aber Schluß bei mir!«
    »>Ich hätte nicht hören sollen.< Das hat sie gesagt?«
    »Jawohl. Und >Ich hätte es nicht tun sollen<. Das hat sie auch gesagt: >Ich hätte es nicht tun sollen. Ich hätte nicht hören sollen.««
    Melrose runzelte die Stirn. »Was meinte sie denn damit?«
    »Ehrlich gesagt, ich weiß es nicht. Dorcas hatte ihre kleinen Geheimnisse, da bin ich sicher.« Annie seufzte. »Eine Weile lang dachte ich, sie sei vernarrt in Mr. Price. Er geht ja beinahe jeden Abend ins Pub, wenn er eigentlich im Bett liegen sollte. Wo er doch immer in aller Herrgottsfrühe aufsteht. Latscht in den Fens rum und sucht vergrabene Bäume wie andere vergrabene Schätze. Ts, ts.«
    Daß Dorcas Reese in Price verliebt war, überraschte ihn nicht allzusehr, lenkte aber seine Aufmerksamkeit auf Price' Junggesellendasein und seine Abhängigkeit von den Owens. Er schien jedoch mit seinen Lebensumständen vollauf zufrieden zu sein.
    Kein Wunder, Max Owen war ja wie ein Mäzen in feudalen Zeiten.
    »Ich begreife es nicht«, sagte Annie und packte den Teig in eine weitere Puddingschüssel. »Wie diese armen Frauen zu Tode gekommen sind. Das muß doch ein kranker Mensch gewesen sein.« Kopfschüttelnd stellte sie die Schüssel in einen Topf mit heißem Wasser. Da kam Suggins mit einem halben Dutzend Eiern herein. »Möchten Sie ein gekochtes Ei, Sir? Die Owens mögen lieber Rührei.«
    »Nein, nein, Rührei ist wunderbar.« Er schwieg. Er hatte gestern abend beim Essen kein klares Bild vom Kommen und Gehen der einzelnen Personen am Mordabend gewonnen. Außer Price waren offenbar alle im Wohnzimmer geblieben. Aber selbst wenn, die Zeit wäre zu kurz gewesen, um zum Wash zu fahren. Es hätte passieren müssen, nachdem sie zum Schlafen auseinandergegangen waren. »Major Parker war ja wohl auch an dem Abend hier?«
    Kaum hatte er Parker erwähnt, sang sie wahre Lobeshymnen. Überraschenderweise über seine Kochkünste. »Eins kann ich Ihnen sagen, erst wenn Sie sein Filet Wellington gekostet haben, wissen Sie, wie es schmecken muß.« Melrose sah auf der Küchenuhr, daß die Frühstückszeit näherrückte. Auch der Wohlgeruch des über der Flamme brutzelnden Specks verriet, daß es nun nicht mehr lange dauern konnte. Melrose war dem Hungertode nahe.
    »Also ich, ich war ja noch bis spät hier und habe die Mischung für die Mincepies fertig gemacht. Die Pasteten mache ich normalerweise immer am Abend vorher. Als ich in der Küche war, hat Suggins Mr. Owen noch Whisky gebracht. Und Mr. Owen hat mit ihm über eine neue Antiquitätenlieferung geredet. Burt hat also ein Alibi, ich nicht.« Die Sache mit den Alibis fand Annie so lustig, daß sie lachte, bis ihr die Tränen in den Wimpern hingen. Sie wischte sie mit dem Schürzenzipfel ab. »Tut mir leid, Sir. Darüber sollte ich keine Witzchen machen. Aber es ist alles nicht so einfach. Das verstehen Sie ja sicher.«
    »Ja, durchaus«, sagte Melrose verständnisvoll, aber doch ernsthaft skeptisch, ob es für Annie »nicht so einfach« war. Bisher war er davon ausgegangen, daß

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