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Fremde Federn

Fremde Federn

Titel: Fremde Federn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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ist. Die nicht. Ich meine nicht, daß sie schlecht behandelt wurde, aber sie war einfach nicht besonders hübsch, und das ist für ein Mädchen doch immer noch ein Nachteil.« Mit traurigem Gesicht hielt sie einen Moment inne und begann dann wieder auf den Teig einzuschlagen. Sie klopfte und knetete ihn zu einem seidenglatten Hügel.
    Melrose nahm sich noch Tee aus der Kanne. Er trank ihn genüßlich, während er durch die Küche wanderte und sich richtig freute, daß sie, obwohl er Gast war, seine Gegenwart hier kein bißchen komisch fand. Was hatte ein Antiquitätengutachter in ihrer Küche zu suchen? hätte sie sich ja fragen können. Doch nein, sie nahm seine Anwesenheit als etwas völlig Selbstverständliches, und er durfte zuschauen, wie sie den Teig traktierte und nun einer äußerst merkwürdigen Behandlung unterzog: Sie zog einen Riesenfladen aus und ließ ihn dann wie einen Pizzaboden auf der Faust in der Luft kreiseln. »Burt!« rief sie dabei nach hinten. »Jetzt geh mal raus und guck nach der Henne!«
    »Burt« war Suggins, ihr Mann, der Gärtner. Er schlurfte durch die Tür zur Anrichtekammer, dem
    Reich des Butlers, wenn Annie denn einen zur Seite gehabt hätte, und dann durch eine Tür nach draußen. Wahrscheinlich zum Hühnerstall. Melrose mochte sich das Schicksal der Henne gar nicht ausdenken, als die Tür zuschlug und noch einige Sekunden nachzitterte.
    »Das ist Mr. Suggins, der da gerade rausgegangen ist«, sagte sie, als hätten sie beide gerade einer Gegenüberstellung beigewohnt. »Und wenn Sie mich fragen, einen Gärtner, der so viel über Blumen weiß, haben sie hier noch nie gehabt.« Sie widmete sich wieder dem Herd und dem Topf auf der hinteren Flamme, in dem eine Puddingschüssel stand, die mit einem Tuch abgedeckt war. Aus dem köchelnden Wasser stiegen Dampfwolken. Sie stellte die ebenfalls dampfende Schüssel auf den Tisch, nahm das Tuch ab und legte es zur Seite. Dann spitzte sie die Lippen, faßte sich an die Wange und betrachtete die seidenglatte Teigkugel. Schließlich nahm sie aus einer Reihe winziger Glücksbringer zwei zur Hand.
    Nun wurde er neugierig. »Was ist denn das?«
    »Der Klüngelkrempel, der in den Christmaspud-ding gehört.« Sie nahm ein Figürchen und drehte und schob es seitlich tief in den Teig hinein.
    »Christmaspudding im Februar?«
    »Ach, lassen Sie das mal meine Sorge sein. Mrs. Owen, die ißt so gern Pudding. Manchmal glaube ich, das Mädchen ist nie richtig erwachsen geworden.« Sie warf Melrose einen gönnerhaften Blick zu. Sollte heißen: Werden die Reichen selten.
    Melrose gefiel der mütterliche Ton, in dem sie über Grace sprach. Und es stimmte, Grace Owen besaß die Spontaneität eines Kindes. »Das mit ihrem Sohn ist sehr traurig.«
    Annie hörte auf, die silbernen Glücksbringer zu zählen, und schaute zur Tür, ob jemand hereinkam. »Ach ja. Er war erst zwanzig. Und so ein netter Junge.« Dann stach sie wieder ganz geschäftsmäßig weitere Glücksbringer in den Pudding. Obwohl ihr Essen so hervorragend schmeckte, hatte Melrose den Eindruck, daß sie ganz entschieden auf feindlichem Fuße damit stand. Zuerst hatte sie den Teig vehement geknetet, und jetzt preßte sie diese winzigen Dinger so energisch hinein, als seien es Reißbrettstifte.
    Da sie eine so ehrliche, offene, unkomplizierte Frau zu sein schien, glaubte Melrose, er könne nun zu dem anderen Mord übergehen, ohne daß sie mißtrauisch wurde. Sie selbst hatte ja auch von Verna Dunn gesprochen. Angesichts Annies wirbelwindartiger Bewegungen vom Teigbrett zum Kühlschrank (dem sie Butter und Milch entnahm), von der Küchentür (von wo aus sie Suggins zurief, er solle sich mit der Henne beeilen) zum Ofen (wo sie klappernd den Topf von der Flamme zog) und dann zurück zum Pudding, überraschte es Melrose, daß sie überhaupt einem Gespräch folgen konnte.
    »Es muß ja schrecklich für Sie gewesen sein, als sich herausstellte, daß Miss . Dunn? Hieß sie so? Als sich herausstellte, daß sie ermordet worden war«, sagte er. Und fügte »Danke« hinzu, als sie ihm den dritten Becher Tee einschenkte. »Zwei Morde, erschütternd.«
    Um Annie Suggins zu erschüttern, bedurfte es mehr als zweier Morde. »Was sie aber auch da draußen am Wash wollte, geht über mein Begreifen.« Sie hieb einen weiteren Glücksbringer in den Teig. »Und jetzt heißt es, sie wären zu zweit da hingefahren.«
    »Zu zweit?«
    »Sie und diese Lady Kennington.« Annie beugte sich über den Pudding und flüsterte:

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