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Fremde Federn

Fremde Federn

Titel: Fremde Federn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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Damals hatte ich keinen roten Heller, jedenfalls nicht genug, um teure Antiquitäten zu kaufen. Wir redeten eine Zeitlang über das Teil, und er zeigte mir Fotos. Ich weiß nicht, wie alt sie waren, aber es stand ursprünglich in Madrid, im Palast Philipp II. von Spanien. Der Händler hatte Dokumente, die es bewiesen. Egal, direkt nachdem ich meinen ersten großen Gewinn auf dem Aktienmarkt gemacht hatte, ging ich in den Laden, doch das Stück war verkauft. Ich fragte den Händler, an wen, und er sagte, er dürfe diese Information nicht weitergeben, aber ich könne ihm ein Bier spendieren, und wenn er betrunken genug sei, werde er es mir verraten.« Max lächelte in der Erinnerung daran. »Er nannte mir den Namen einer Frau, die in Stow-on-the-Wold ein Einrichtungsgeschäft besaß. Dort fuhr ich hin ... als ich eigentlich zu ...« Er runzelte die Stirn, »der Taufe irgendeines Kindes sollte. War es das von Schwesterchen?« Er schüttelte den Kopf. »Ich ging also in den Laden, und da stand der Sekretär, in alter Pracht. Aber sie wollte ihn nicht verkaufen, behauptete, sie hätte ihn als Blickfang für das Schlafzimmer eines Kunden gekauft - für ein Schlafzimmer! Mein Gott!«
    Melrose lauschte Max' Worten mit einer gewissen Freude, ja, sogar Ehrfurcht. Er fand es faszinierend, daß Max sich zwar kaum an eine Taufe, Hochzeit oder Beerdigung erinnerte, aber gleichzeitig an jedes Detail im Zusammenhang mit diesem bezaubernden Möbelstück. An alles, was in den siebzehn oder achtzehn Jahren geschehen war, bis er dessen Eigentümer wurde. Als entfache es in ihm alle die zärtlichen oder wehmütigen Gefühle, die man normalerweise für geliebte Familienerbstücke oder -fotos hegt, sogar - und vielleicht war das der Punkt - für die Familie selbst. Melrose war überzeugt, daß Owen ähnliche Geschichten über das Petitpoint-Sofa, den schweren alten Maulbeerholzsekretär, den phantastischen Kredenztisch, die Tische aus lackiertem Pappmache und Metall, die Renaissancebronzen zu erzählen hatte.
    Wenn Melrose Max Owen wirklich für einen besitzgierigen, reichen Müßiggänger gehalten hätte, dann hätte er spätestens jetzt sein Urteil revidieren müssen.
    Er stand auf, um sich den Kredenztisch noch einmal anzusehen. »Sie haben wirklich nicht vor, Sotheby's die Sachen hier zur Versteigerung zu geben?«
    Max' Gesichtsausdruck, sein offener Blick und das breite Lächeln hatten etwas bezaubernd Kindliches. Er studierte das glühende Ende seiner Zigarette, und dann kicherte er, als sei das alles ein kapitaler Scherz. »Wo denken Sie hin?«
    »Warum wollten Sie sie dann taxiert haben?« Melrose hoffte, er redete sich nicht um seinen Job.
    »Ach, wahrscheinlich wollte ich das gar nicht. Ich wollte einen Zuhörer. Nein, eigentlich auch keinen Zuhörer, sondern einen klugen Burschen zum Reden.«
    Als er nun Melrose anlächelte, empfand dieser plötzlich ein Schuldgefühl, als sei er in eine Liebes-szene gestolpert, ein geheimes Stelldichein.
    Max redete weiter. »In unmittelbarer Nähe habe ich nur Parker. Grace natürlich auch, aber ich langweile sie mit meinen Geschichten schon zu Tode. Obgleich sie bereit ist, endlos zuzuhören. Sie mag diese klassischen Statuen. Die habe ich damals in meinen Anfängen ersteigert. Warum, weiß ich auch nicht so genau. Grace nennt sie die >kalten Damen<. Ist das nicht wunderbar?« Errötend hielt Max inne. »Sie finden mich wahrscheinlich entsetzlich oberflächlich, da rede ich hier über Sekretäre und Toilettentische, obwohl gerade zwei Morde geschehen sind.«
    Apropos Morde, wollte Melrose sagen. Aber er verstand Max gut. »Hm, Ihr >Zeugs<, wie Sie es nennen, ist vielleicht Ihr Ruhepunkt, Ihr Zentrum.« Keine Frage, dieser Mann ging völlig in seinen Besitztümern auf, nicht weniger und nicht mehr als Kinder, die Dinge ja sogar mit magischen Kräften ausstatten. »Zauberhaft«, murmelte er.
    Max schaute ihn fragend an.
    »Ach . ich habe nur gerade darüber nachgedacht, was wir als Kinder für eine Beziehung zu unseren Sachen gehabt haben. Als wir jung waren.«
    »Mag sein, wir waren besessen von ihnen«, sagte Max. »Vielleicht glaubten wir, sie teilten Freude und Leid mit uns. Oder sie sind selber wie Kinder.« Er zündete sich mit Melrose' Zippo noch eine Zigarette an, knipste den Deckel auf und wieder zu und wieder auf. »Wir haben keine«, sagte er, als erkläre er sich selbst etwas. »Grace hatte einen Sohn.« Und als sei er mit dieser Tatsache nie ganz zurechtgekommen, zog er die Stirn

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