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Fremde Federn

Fremde Federn

Titel: Fremde Federn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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man einmal begriffen hatte, was für ein Mensch sie war.«
    »Na ja«, sagte Melrose, »irgend jemand hat es offenbar begriffen.«
14
    Peter Emerys Cottage sah aus wie aus dem Märchenbuch: weißgekalkte Steinwände, ein gepflasterter Weg von dem weißen Gatter zur hellblau gestrichenen Haustür. In den hübschen Blumenkästen zeigten sich schon grüne Sprossen. Neben der Tür stand kieloben ein altes, flaches Boot, das, nach dem Farbeimer daneben zu urteilen, einen neuen Anstrich bekommen sollte. Mehrere Angelruten lehnten an der Wand.
    Melrose klopfte an die Tür, worauf ein zehn-, elfjähriges Mädchen öffnete. Sie hatte leuchtend karottenrotes Haar, eine mattschimmernde Haut und Augen, die die Ciderfarbe des Himmels gerade vor dem Sonnenaufgang besaßen. Ebenfalls ein Märchenkind.
    Nicht ganz. »Wir brauchen nichts. Alle beide nicht.« Sie schlug ihm die blaue Tür vor der Nase zu.
    Melrose starrte darauf. Dann schaute er hinter und um sich. Vielleicht entdeckte er ja etwas, das Meinungsforscher, Zeitungswerber, Wahlkämpfer, Bettler oder Hare-Krishna-Jünger in solchen Scharen zu dieser Tür trieb, daß sich die Bewohner des Hauses von Bitten zu kaufen, unterschreiben oder spenden belästigt fühlen mußten. Er klopfte noch einmal. Von diesem feuerköpfigen kleinen Satansbraten ließ er sich doch nicht abwimmeln. Das Gesicht erschien wieder am Fenster, ein Augenpaar lugte über die Blumenkästen und verschwand.
    Melrose klopfte mit dem Fuß auf den Boden. Nach unmenschlich langer Zeit öffnete sich die Tür erneut.
    »Ich habe doch gesagt -«
    »- daß ihr nichts kauft, alle beide nicht. Ich will euch auch für nichts werben, du kannst deinen Hund zurückpfeifen.« Der schaute zwischen ihren Beinen hindurch. Er war klein, und sein borstiges graues Fell sah aus wie eine Rüstung. Er fletschte die Zähne, als wollte er knurren, brachte aber nur ein Bogartsches Grinsen, trocken wie Gin, zustande und gab keinen Laut von sich. Zähne hatte er reichlich. Das Mädchen bedachte offenbar das Gehörte und schien die Tür wieder zuschlagen zu wollen. Da drückte Melrose mit der Hand dagegen und setzte den Fuß dazwischen. Sie war vielleicht couragierter, aber er war größer. »Darf ich?« Sarkastisch wollte er eigentlich nicht werden.
    Der Hund fing hektisch an im Kreise zu laufen und stürzte sich dann stumm, aber mit immer noch gebleckten Zähnen auf Melrose. Der wehrte das Tier mit dem Fuß ab und hielt die Tür weiter mit der Hand auf. »Hör doch mal zu! Ich bin ein Freund der Owens. Die kennst du doch, die in Fengate wohnen. Mrs. Owen hat mir gesagt, ich solle mal bei euch reinschauen. Ich bin auf einem Spaziergang.« Als sie die Tür losließ, wäre er beinahe kopfüber in den düsteren kleinen Flur gefallen. Er richtete sich auf und schaute in die ciderfarbenen, braun-, gold- und wutgesprenkelten Augen. »Ich verstehe gar nicht, warum du so böse auf mich bist. Ich hab dir doch gar nichts getan.«
    »Wollen Sie aber vielleicht. Sie sind von der Polizei.«
    »Aber nicht doch! Ich bin ja nur hierhergekommen, weil ich ein wenig mit deinem Vater reden will.« Der arme Mann.
    »Er kann nicht mit Ihnen reden. Er ist blind.«
    »Das tut mir entsetzlich leid, aber ich habe noch nie gehört, daß man nicht reden kann, wenn man blind ist.«
    »Und es ist auch nicht mein Vater, sondern mein Onkel.«
    Aus dem Wohnungsinnern erklang eine tiefe Stimme. »Zel, wer ist denn da?«
    »Niemand!« schrie sie zurück.
    Melrose wurde nun seinerseits laut. »Das möchte ich bestreiten.«
    In der Tür erschien der zu der maskulinen Stimme gehörige Mensch. Er mußte sich bücken, um nicht oben am Rahmen anzustoßen, so groß war er. Groß, muskulös und schön, wie einer Reklame für Hochgebirgstrecking entsprungen. Die Angeln und das Boot gehörten bestimmt ihm.
    »Ich habe ihm gesagt, du hättest keine Zeit.«
    »Nun benimm dich mal, Mädchen.«
    Melrose war überzeugt, daß er warten konnte, bis er schwarz wurde, ehe Zel sich auf ihre guten Manie-ren besann. In all den Jahren, in denen er sich gelegentlich mit der Jugend (unter achtzehn) hatte auseinandersetzen müssen, hatte er eines begriffen: Er war unfähig dazu. Aber dann fiel ihm Sally ein, und er erlebte einen kurzen triumphierenden Moment, bis ihm ebenfalls einfiel, daß er sie vor der harten Strafe Theo Wrenn Brownes hatte retten und ihr zusätzlich noch ein Buch kaufen müssen. Bei Jury war es meist andersherum: die lieben Kleinen schenkten ihm etwas. Jury holte aus einem

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