Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Fremde Federn

Fremde Federn

Titel: Fremde Federn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
Vom Netzwerk:
Kinder immer waren. »Zusehen zu müssen, wie Bob sich die Zähne mit Zahnseide saubermacht.« Melrose suchte die Umgebung ab. »Wo ist er? Ich will nicht, daß er sich mir gleich mit seinem quittegelben Grinsen in den Weg stellt.« Aber wie jedermann hätte auch Bob Schwierigkeiten gehabt, sich in dieser Landschaft zu verstecken.
    Zel fiel nun in einen seitlichen Hopserlauf. Ihr glänzendes Haar flog mit jeder Bewegung hoch.
    Erstaunt schüttelte Melrose den Kopf. Wie Kinder sich doch immer Bewegungen in einer Weise hingeben konnten, die sich für Erwachsene verbat. In der kurzen Zeit, die er Zel jetzt kannte, hatte sie etliche Register gezogen - Köchin, Krankenschwester, Hausfrau, griesgrämige Erwachsene. Jetzt kam sie bei ihrem zehnjährigen Selbst an.
    Nachdenklich sagte er: »Zel. Das ist ja ein ganz ungewöhnlicher Name.«
    Kein Kommentar, sie hopste weiter.
    »Ist es ein Spitzname?«
    »Nein.«
    »Kommt er in der Familie vor?«
    »Nein!«
    »Ist er etwa aus der Bibel?«
    »Nein!« rief sie nun von einer alten Steinmauer her, die einmal ein Stück Land begrenzt hatte. Ihre Antwort hing wie gefroren in der Luft.
    Die Fens erstreckten sich unter einem Himmel, der so dicht auf den Boden hinunterzureichen schien, daß der Eindruck entstand, man könne die Erdkrümmung sehen. Der Weg verlief schnurgerade und verlor sich in der Ferne. Melrose bildete sich ein, er sähe eine Silhouette von Dächern und Schornsteinen, zu denen auch das Case Has Altered hätte gehören können.
    »Gleich dahinten ist Windy Fen!« schrie Zel und zeigte auf ein paar undeutlich sich abzeichnende Bäume und Büsche, hinter denen eine Straße verlief -die A17, auf der er ja gekommen war und auf der nun ganz klein die Autos fuhren. Schnaufend kam Zel zurück. »Weiter kann ich nicht mitkommen, jetzt müssen Sie allein weiter. Ich will nicht dem Geisterhund begegnen.«
    Melrose schaute auf die Uhr. »Es ist doch erst kurz nach zwei. Kommt er denn heraus, bevor es dunkel wird? Ist ja auch egal, jetzt ist er sowieso in den
    Highlands.« Er schwieg. »Paß auf, soll ich nicht doch lieber ein kleines Stück mit dir zurücklaufen?«
    »Da verirren Sie sich vielleicht, und ich müßte Sie suchen.« Um ihren Gleichmut zu demonstrieren, rannte sie schnell weg. Ihr leuchtendes Haar wehte hinter ihr her wie der Schweif eines Kometen. Dreimal blieb sie stehen, schaute zurück und winkte.
    Ihre kleine Gestalt schien mit dem Land zu verschmelzen. Melrose fühlte sich richtig allein gelassen. Aus einem unerfindlichen Grund hatte er das Gefühl, daß er und dieses Kind eine gemeinsame geheime Geschichte, eine gemeinsame Vergangenheit hatten. Ihm war, als kenne er Zel schon lange.
    Wyndham Fen war meilenweites Feuchtgebiet unter Obhut des National Trust. Einstmals waren Lincolnshire und Cambridgeshire ein enormer See mit der Insel von Ely gewesen. Ein See, Sumpf und Schilffelder. Die Mündungsgebiete des Great Ouse, der Flüsse Nene und Wellend zeugten noch davon. Die Römer hatten wahrscheinlich Schiffe gebraucht, um sich in dieser Region fortzubewegen.
    Melrose entdeckte die hölzerne Promenade, auf der Besucher über die Kanäle wandern und weit über das Land schauen konnten. Ein starker Wind ließ die hohen Schilfgräser rasseln wie Säbel. Aufgescheucht flogen Schwärme von Vögeln auf, deren Namen er nicht kannte. Ein einziges blaues Schwirren. Besengras schaukelte sanft im Wasser, wo Dorcas Reese wahrscheinlich gelegen hatte, ein solch armseliger, unbedeutender kleiner Mensch, daß die Leute stockten, wenn sie sich ihr Gesicht in Erinnerung rufen wollten.
    Melrose schaute in Richtung des Weges und versuchte die Entfernung abzuschätzen. Es war gewiß allgemein bekannt, daß Dorcas regelmäßig zum Case Has Altered ging. Hatte sie hier jemanden treffen wollen? Er sah das kleine, ein paar hundert Meter entfernte Gebäude, das Besucherzentrum. An jenem Abend hatte es geregnet, war ihm berichtet worden -sollte sie dort Zuflucht gesucht haben?
    Es war so still, daß Melrose hörte, wie etwas ins Wasser platschte. Eine Eule schrie. Über einer Krüppelweide vernahm er Flügelgeflatter. Eine Reihe Stockenten flog hoch. Er beobachtete sie am Himmel. Dann lag das Fen wieder in tiefer Stille.
15
    Im Wohnzimmer stand ein Mann und starrte mit einer Haltung, als sei er tief in Gedanken versunken, aus dem hohen Fenster. Bei Melrose' Eintreten drehte er sich um. Der geistesabwesende Gesichtsausdruck verschwand und wich einem noch weniger verbindlichen. Er

Weitere Kostenlose Bücher