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Fremde Federn

Fremde Federn

Titel: Fremde Federn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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war er als ein Mann bekannt, der für die Shows, die er produzierte, das Beste verlangte und auch entsprechend dafür zahlte. Er hätte weder sein Publikum noch seine Künstler übers Ohr gehauen.
    Ziegfeld bemerkte, daß Harry ein verblaßtes Poster fixierte, das unter vielen anderen an der Wand hing. Es war ein Werbeplakat für eine Show mit dem Titel Die tanzenden Enten von Dänemark. Ein hintergründiges Lächeln huschte über Ziegfelds Gesicht.
    »Wissen Sie, daß ich erst einundzwanzig war, als ich damals die Show in Chicago auf die Bühne brachte?« Er bot Harry aus einem Befeuchter eine Zigarre an; Harry schüttelte den Kopf. Ziegfeld zündete sich eine an. »Der verfluchte Tierschutzverein hat dafür gesorgt, daß ich sie absetzen mußte. Sie haben behauptet, daß meine Leute den Enten unter den Füßen Streichhölzer angezündet hätten, damit sie tanzten.« Er machte ein ernstes Gesicht. »Na ja, möglich wär’s gewesen.« Harry war zu aufgeregt, um sich mehr als ein Lächeln abzuringen.
    »Wissen Sie, mein Junge, was ich von Ihnen will?«
    »Ich hoffe, ein Lied für Ihre neue Show.«
    »Sie haben den Nagel auf den Kopf getroffen. Was ich bisher von Ihnen gehört habe, gefällt mir. Allerdings ist die Zeit ein bißchen knapp. Wir wollen in vier Wochen mit den Proben für die Wiederaufnahme der Follies im Jardin de Paris anfangen.« Der Jardin war ein Saal mit Glaskuppel in einem Theatergebäude an der Ecke Vierundvierzigste und Broadway, höllisch heiß im Sommer und undicht, wenn es regnete; in solchen Fällen wurde den Gästen geraten, Regenschirme mitzubringen.
    »Was ich brauche, ist eine Dschungelnummer. Ich stelle mir ungefähr vierzig oder fünfzig Mädchen vor« - Ziegfeld tänzelte um den Schreibtisch herum -, »einen kleinen Palmwedel, der die kostbaren Teile da verdeckt und einen zweiten da, Sie wissen schon, wo ich meine. Beenden will ich das Ganze mit einem Tanz im stürmischsten Regen, den man je auf einer Bühne gesehen hat. Aber ich habe kein Lied.«
    »Ich werde versuchen, eins zu schreiben.«
    »Kann ich mich drauf verlassen?«
    »Ich bring’ Ihnen eins in den nächsten Tagen«, versprach Harry. »Und wenn es Ihnen nicht gefällt, schreibe ich es so lange um, bis Sie zufrieden sind.«
    »Klingt professionell. Ich mag Leute, die professionell arbeiten;
    Stümper, die etwas versprechen und dann nicht halten, kann ich nicht ausstehen. So jemand wird bei mir nur einmal beschäftigt. Außerdem sorge ich dafür, daß es die Runde in der ganzen Straße macht, so daß er überall erledigt ist.«
    Der Schweiß stand Harry auf der Stirn, und seine Stimme zitterte vor Aufregung: »Ich werde Sie nicht enttäuschen, Mr. Ziegfeld.«
    Der Produzent legte in einer kameradschaftlichen Geste den Arm um Harrys Schulter und geleitete ihn zur Tür. »Flo«, sagte er. »Für meine Freunde und Kollegen Flo!«
    Im Vorzimmer trafen Harry die neidischen Blicke zweier Songschreiber, die er kannte. Beide konnten es kaum erwarten, ein paar Sekunden von Ziegfelds Zeit zu ergattern.
    »Verhökert euere Noten anderswo, Jungs! Ich muß mir eine neue Truppe Tänzerinnen ansehen.« Ziegfeld deutete mit dem Zeigefinger auf Harry. »Die Sache muß gut werden.« Dann ging er zurück in sein Büro und warf die Tür hinter sich zu.
    Harry schwebte wie auf Wolken. Er tanzte durch die Menschenmengen, die sich um die Mittagszeit durch die Straßen wälzten. Amerika, das Land der unbegrenzten Möglichkeiten! Wie recht er daran getan hatte, alles daranzusetzen, dieses Ufer zu erreichen und hier unermüdlich in einem geliebten Beruf zu arbeiten.
    Harrys Lieder entstanden in seinem Kopf, aber die Musik lag in der Luft dieser Stadt. Wenn er über den Broadway schlenderte und eine heiße Süßkartoffel verspeiste, die er an einem Stand gekauft hatte, hörte er nur Rhythmen und Melodien. Er hörte das Tuten der Schiffe auf dem Fluß, das Trampeln der Füße auf dem Asphalt. Er hörte das Rattern der Hochbahnen, das Scheppern der Tram, das Hupen der Autos, das Summen einer Mundharmonika und einen schwarzen Bettler, der mit Reißnägeln in den Schuhen auf dem Gehsteig einen Steptanz hinlegte, während ein schwarzer Junge Banjo spielte. Das Stück hieß The Cherry Blossom Man. Harry gab beiden einen Dollar.
    Er schwitzte und bekam vor Aufregung kaum Luft. Das war sein Jahr, sein Augenblick, er spürte es. Der erste Schritt war, daß eines seiner Lieder in Girls Galore aufgenommen worden war, aber mit einer Ziegfeld-Produktion konnte er

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