Fremde Federn
umgebracht.«
Der schwarze Humor erschreckte sie. Sie drückte ihre Wange fest an seine Brust. »Mach bitte keine Witze darüber. Dieser Krieg ist schrecklich. Wir werden irgendwann hineingezogen, ganz gleich, was Wilson heute sagt. Millionen Männer lassen ihr Leben. Paß gut auf, daß du nicht auch dazu zählst.«
Tränen glitzerten in ihren schönen Augen. »Gibst du mir zum Abschied einen Kuß, um der alten Zeiten willen?«
Er riß sie in die Arme. Er mußte seinen ganzen Willen aufbieten, um sie wieder loszulassen, nur noch einmal über ihre weiche Wange zu streichen und in die bitterkalte Nacht hinauszutreten.
75. DER MILLIONENTEPPICH
Fritzi arbeitete mit so viel Energie an ihrer neuen Komödie, daß sie abends vor Erschöpfung der Ohnmacht nahe war. Zu ihrer eigenen Überraschung machten ihr die Dreharbeiten für Tapeten-Nell Spaß. Sie wartete mit ein paar kleinen Tricks auf, die sie Charlie Chaplin abgeschaut hatte: Mit einer hochgezogenen Augenbraue, einem traurigen Lächeln, einem verzehrenden Blick steigerte Charlie jede Komödie auf ergreifende Weise und machte sie um so subtiler.
Fritzis Film begann mit Nells Vater, einem mittellosen Tapezierer, der auf dem Weg zur Arbeit auf einer Bananenschale ausrutschte und sich ein Bein brach. Nell stolperte von einem Mißgeschick zum nächsten - tropfende Kleisterpinsel, leckende Eimer, wacklige Gerüste und zusammenbrechende Leitern. Sie verliebte sich in einen Bauinspektor, den ihr jedoch eine gutgebaute Blondine wegschnappte. Am Ende der zweiten Spule blieb Nell mit einem großen weißen Kleisterklecks auf der Nase wie ein trauriger Clown allein zurück. Mit einem kleinen Schulterzucken kratzte sie den Kleister ab und warf ihn aus dem Bild - direkt einem vorbeischlendernden Polizisten in die Augen. Abblende.
Hobart beobachtete Fritzis wütende Energie. Er hatte Macbeth überlebt, ohne einen größeren Unfall zu verschulden oder zu erleiden. Es war der letzte Drehtag. Hobart war als Than von Cawdor in eine blaue Samtrobe gekleidet, hatte einen falschen gekräuselten Bart und trug eine Pappkrone mit Juwelen aus Glas. Er und Fritzi saßen bei Zwiebelsandwiches und Malzbier auf Klappstühlen in der Sonne.
»Was ist los mit dir, Kind?« fragte Hobart. »Du bist so nervös. Du redest wie ein Maschinengewehr auf alle ein.«
»Ich arbeite hart, das ist alles.«
»Ich könnte mir einen anderen Grund denken. Ich habe gehört, du hast einen Freund, einen Cowboy, wenn ich recht informiert bin.
Man erzählt sich, daß er rasend attraktiv ist.«
Sie versetzte ihm einen Puff. »Laß die Finger von ihm. Er gehört mir.«
Hobart lachte. »Wie schön, daß du glücklich bist! Ich kann dir verraten, daß ich auch auf einer Wolke schwebe. Polo und ich sind Freunde geworden, gute Freunde, wenn du weißt, was ich meine.«
»Liegt da etwa Liebe in der Luft?«
»Du bist wirklich ein kluges Kind«, seufzte Hobart und rückte seine Krone zurecht.
Sie traf sich mit Loy, sooft es ihre und seine Verpflichtungen zuließen, was nicht häufig der Fall war. Er arbeitete wieder, diesmal in einem Western, in dem man die schwer aufzutreibenden Pferde fast alle durch Autos ersetzt hatte. Der Hauptdarsteller war ein zweitrangiger Schauspieler namens Brix, Schauplatz eine Ranch in der Nähe von Ojai. An einem warmen Herbstsonntag fuhren sie im Firmen-Packard hin, Fritzi saß am Steuer. In einem abgeschiedenen Stall zeigte Loy ihr eines der Tiere aus dem Film, ein ausgezeichnetes Pferd, das auf den Namen Geronimo hörte.
»Siehst du, wie klein es ist?« Das Pferd rieb den Kopf an Loys Hand. »Kaum sechzig Zoll. Es ist schnell und wendig auf unwegsamem Gelände - tausendmal besser als die großen Gäule, die sie sonst mieten. Wir haben heute eine Verfolgungsjagd gedreht, >Western achtzehn«. Das sind achtzehn Bilder pro Sekunde. Wenn man das bei normaler Geschwindigkeit abspult, ist die Verfolgungsjagd so schnell wie der Blitz.«
»Wie heißt der Film?«
»Rauchende Kugeln.«
Sie kicherte. »Gibt es tatsächlich Schießereien zu sehen?«
»Ich weiß, es ist albern. Aber ich hab’ es mir nicht ausgedacht, ich bin nur Statist.«
Der verlassene Stall lag ruhig da. Ein Heuboden bot sich an. Loy machte keine Anstalten, noch einmal mit Fritzi zu schlafen, und obwohl sie sich danach sehnte, schämte sie sich, ein zweites Mal die Initiative zu ergreifen. Sie spürte, daß er sich zurückgezogen hatte. Sie war wieder nur ein Kumpel.
Trotzdem war sie glücklich. Immer wieder während des
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