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Fremde Federn

Fremde Federn

Titel: Fremde Federn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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unterstützen.«
    »Vielleicht erfährt er gar nicht, daß ich gesprochen habe. Er ist mit Bernadette nach Yosemite gefahren.«
    »Wenn jemand anders die Rede gehalten hätte, wäre es möglich, daß er es nicht erfährt. Aber du bist Fritzi Crown. Es wäre klug, dich an das zu halten, was du selbst gesagt hast. Wir müssen uns rüsten. Sei gerüstet für ihn.«
82. DIE BESTÜRZTE NATION
    Pauls Schiff, die Caronia, überquerte den Atlantik ohne Zwischenfall. Die Anspannung der Passagiere wegen des Schicksals der Lusitania war jedoch fast mit Händen zu greifen. Er stieg im Hotel Astor am Times Square ab und rief seinen amerikanischen Verlag Century Company an, um für den nächsten Tag ein Treffen mit dem zuständigen Lektor zu vereinbaren. Während er unterwegs war, sich ein neues Hemd zu kaufen, traf im Hotel ein Anruf seines Agenten ein, der seine Vortragsreihe betreute - eine Einladung zum Abendessen.
    Das heißt, es war die Witwe seines Agenten, die ihn einlud. Bill Schwimmer, der tatkräftige Gründer von American Platform Artists -kurz APA - war im Sommer 1914 zusammengebrochen und an einem Hitzschlag gestorben. Marguerite Schwimmer war eine blasse Frau nordischen Typs und deutscher Abstammung. Sie war bestrebt, zäher und härter zu erscheinen als ihre männlichen Konkurrenten. Zur Begrüßung schlug sie Paul kräftig auf den Rücken. Sie trug eine schwarze Hose und eine doppelreihige, kastenförmige schwarze Jacke mit Krawatte. Noch nie hatte er Marguerite in verspielter oder heller Kleidung gesehen.
    Sie tranken Bier unter einer Pergola, an der bunte Laternen hingen. »Wie geht es Ihnen, Junge?« erkundigte sich Marguerite. Es amüsierte ihn, schließlich war sie in seinem Alter. Sie fluchte wie ein Kutscher und rauchte eine Zigarette nach der anderen, sehr zum Mißfallen der Oberkellner und anderer Gäste. »Irgendwelche anderen Vorschläge zum Titel des Vortrags?« Diese Frage hatte sie ihm bereits nach England gekabelt. »Der Tourneemanager in Minneapolis hat gestern ein Telegramm geschickt. Er hält Kriegsgreuel für einen fürchterlichen Titel, der die Leute abschreckt. Sind Sie sicher, daß Sie ihn nicht ändern wollen?«
    Paul zündete seinen Zigarrenstumpen noch einmal an. »Ja, bin ich.«
    »Nun, dann machen Sie sich mal auf einiges gefaßt. Je weiter Sie nach Westen kommen, Junge, desto beliebter sind die Deutschen.«
    »Dann müßte ich ein richtiger Renner sein. Ich bin ja deutscher Abstammung.«
    »Ich auch, aber ich hänge es nicht an die große Glocke. Ich hätte mich längst in Marguerite Smith umgetauft, wenn ich nicht so verdammt viel Briefpapier und Visitenkarten vorgedruckt hätte.«
    »Sehen Sie, Marguerite, Wahrheit bleibt Wahrheit. Der Kaiser und seine Leute sind besessene Militaristen, die diesen Krieg wie Metzger führen. Ich verstehe nicht, warum die Deutschen ihnen so ergeben sind, aber sie sind es. Deshalb: Das ganze Volk muß zur Rechenschaft gezogen werden.«
    »Dutch, ich warne Sie, diese Art Gefühlsduselei ist hier nicht besonders beliebt, geschweige denn populär. Lassen Sie sich nicht durch die Presse im Osten blenden. Es gibt noch immer eine große Kluft in diesem Land. Teufel noch mal, manche Leute behaupten sogar, unser Außenministerium sei an der Sache mit der Lusitania schuld, weil es nicht davor gewarnt hat, mit Cunard und White Star zu reisen!«
    »Und deshalb soll ich meinen Vortrag ändern?«
    »Ich habe eine schöne Vortragsreise für Sie gebucht, Dutch. Erstklassige Häuser. Wenn Sie auf die Barrikaden gehen und Ihr Publikum vergraulen wollen, ist das Ihre Sache.« Sie lächelte säuerlich. »Natürlich hänge ich mit drin. Ich würde meine Agentur gern in den schwarzen Zahlen halten.«
    Paul steckte eine Hand in die Tasche seines ungebügelten Jacketts und berührte die Münze, die ihm Michael in London gegeben hatte. Eigentlich sollte er Marguerite Deutschlands grausige Würdigung des Schicksals der Lusitania zeigen. Andererseits würde sich dadurch ihre Diskussion lediglich in die Länge ziehen. Die Münze erinnerte mit chauvinistischen Parolen und schauerlichen Abbildungen, einem grimmigen Sensenmann und einem sinkenden Schiff, an diesen »Sieg«.
    »Reden wir lieber über was Angenehmeres«, schlug Marguerite vor. Sie fuhr sich mit der Zunge über ihre rot bemalten Lippen. »Hätten Sie gern Gesellschaft in Ihrem Hotel? Natürlich lade ich Sie zu diesem Essen ein, aber das ist kaum eine angemessene Begrüßung für einen müden Reisenden.«
    Paul errötete

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